Länder bereiten Vermittlungsausschuss vor: Innenminister streiten über BKA-Gesetz
Der Streit ist zu groß: Die Innenminister einigen sich auf ihrer Konferenz in Potsdam beim BKA-Gesetz nicht. Jetzt muss der Vermittlungsausschuss nach einem Kompromiss suchen.
POTSDAM taz Am stinkigsten ist Berlins Innensenator Erhart Körting. "Schäuble hat das Gesetz schlecht vorbereitet", mault der SPD-Politiker am Morgen auf einem Ledersofa in der Lobby des Potsdamer Tagungshotels über den Bundesinnenminister. "Die Frage wird sein, ob er sich bewegt", meint Körting. "Das muss er, wenn er das Ding nicht komplett in den Sand setzen will."
Die bis Freitag tagende Innenministerkonferenz steht ganz im Zeichen des wackligen BKA-Gesetzes - und die Fronten, so viel wird schnell klar, sind verhärtet. Eigentlich sollte das Vorhaben gar nicht mehr groß besprochen werden. Der Bundestag hat den neuen Befugnissen für das Bundeskriminalamt längst zugestimmt, am 28. November sollte der Bundesrat die Pläne abnicken.
Doch dann kam jener denkwürdige Parteitag der sächsischen SPD dazwischen, der sich einem Antrag der Jusos anschloss - und damit die Online-Durchsuchung ausschloss. Denn: Ohne Sachsen war plötzlich die Mehrheit für das BKA-Gesetz in der Länderkammer futsch.
Und so werfen sich die Minister in Potsdam erstmal gegenseitige Blockadehaltung vor. "Die reden das Gegenteil von dem, was sie vor zwei Wochen noch gesagt haben", schimpft Innenminister Schäuble bei seinem Eintreffen über die widerspenstigen SPD-Länderkollegen. "Unsinn", werfen die zurück. Die Länderseite habe bereits im September 2007 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der ihre Wünsche beinhaltete. "Die hat Kollege Schäuble aber gänzlich ignoriert", sagt Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD). Sein Kollege aus Bremen, Ulrich Mäurer, bezeichnet die Absprachen zwischen Bund und Ländern als "sehr unglücklich". Und Lothar Hay (SPD), Innenminister in Kiel, schlägt süffisant vor, künftig "vielleicht mal miteinander zu reden", bevor man neue Gesetze beschließen will.
Am Nachmittag werden sich die Minister erstmals gegenüber sitzen, beim traditionellen Kamingespräch. Statt Kuschelrunde wird es aber wohl eher ein deftiger Schlagabtausch. "Wir werden schon Klartext reden", versichert Hövelmann.
Klar ist aber auch: Gänzlich fallen lassen will das Gesetz hier niemand. Die SPD-Länderminister drängen lediglich auf die Neuverhandlung von zentralen Punkten. Und was strittig ist, liegt seit Tagen auf dem Tisch. Immer wieder wird etwa der Richtervorbehalt genannt. Ob Online-Durchsuchung, Lauschangriff oder Videoüberwachung: Jede Fahndungsmethode soll vor ihrem Einsatz von einem Richter genehmigt werden. Bislang sieht der Entwurf eine Eilfallregelung vor, bei der auf einen Richter verzichtet werden kann. Eine weitere Forderung der SPD-Seite: Das Zeugnisverweigerungsrecht muss für alle sensiblen Berufsgruppen gelten, also auch für Ärzte und Journalisten.
Der größte Streitpunkt ist aber die Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern. Die SPD-Minister fürchten, die Polizeibehörden könnten sich bei der Terrorfahndung ins Gehege kommen. Sie fordern, den Zeitpunkt genauer zu definieren, ab dem das Bundeskriminalamt die Zuständigkeit von den Landesämter übernehmen soll.
An eine Einigung bis Freitag glaubt hier in Potsdam niemand. Zumindest nicht, was die Gesetzesinhalte angeht. In einem anderen Punkt könnte aber morgen trotzdem Übereinstimmung herrschen. Nämlich, dass nur der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat einen Ausweg aus dem Dilemma finden kann. Selbst der als Hardliner bekannte Gastgeber der Tagung, Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), scheint inzwischen Gefallen an der Idee gefunden zu haben, das Kompromissgremium anzurufen: "Nach meinen Vorgesprächen gehe ich davon aus, dass es eine Mehrheit dafür gibt, diesen Entwurf an den Vermittlungsausschuss zu schicken."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern