Ladies of Fashion

■ Die lesbische Literatur-Avantgarde im Paris der 20er Jahre: Ein Vortrag

“Nur in Amsterdam waren ein paar mehr da. Ihr brecht deutsche Rekorde.“ Vor hundertzwanzig Frauen begann die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Alexandra Busch Dienstag abend im Frauenkulturhaus ihren Vortrag über Djuna Barnes und Natalie Barney, neben Gertrude Stein lesbische amerikanische Schriftstellerinnen im Paris der 20er Jahre. Veranstaltet vom Kulturbüro TheaLit, war der Abend Auftakt einer Reihe, die sich mit den Texten, dem Leben und der Rezeption der Zwanziger beschäftigen wird - in Café-Atmosphäre.

Das Hauptgewicht legte Alexandra Busch nicht auf Details ihres Forschungsgegenstandes, des „Ladies Almanach“ von Djuna Barnes, sondern auf die Pariser Szene, die der Roman spiegelt: die lesbischen und heterosexuellen Frauenfreundeskreise.

Zu Beginn der Moderne der Kunst, führte Busch aus, war Paris ein Laboratorium für Emigrantenkulturen und soziale Gebilde, die mit den ästhetischen Plänen der Kunst-Avantgarde untrennbar verwoben waren. Ein solcher Plan war die Sappho-Gesellschaft der Natalie Barney. Die Millionärin — ihr Vater hatte als Eisenbahnbauer in Amerika Geld gescheffelt — wollte sich selbst ein Milieu schaffen, weil ihr weder die Welt noch die lesbische Subkultur so ganz in den Kram paßte. Natalie Barney war Mäzenin und Mittelpunkt der woman- society am linken Seine-Ufer. Die lesbisch-künstlerischen Freundeskreise waren weniger getrennt vom gesellschaftlichen Leben der Hetero-Welt als heute, eben weil die Frauen-Salons den Frauen ein Forum für ihre Produktionen verschaffte.

Männliche Gäste seien in den Salons stets willkommen gewesen, trotzdem hatte Barneys Salons etwas Einmaliges. Sie war bekannt und berüchtigt als frauenherzen-brechende Casanova und ließ keine Möglichkeit zu einem Skandal aus. Sie und ihre Freundin Djuna Barnes verachteten Frauen, die unter ihrem Lesbisch-Sein litten: „Die Liebe der Frau zur Frau sollte das Entsetzen (bei den Bürgerlichen, d. A.) mehren.“

Der „Ladies Almanach“, ein bissiger Ratgeber und eine Geschichte der lesbischen Liebe, war eine witzige, boshafte Hommage an Barney und ihren Salon. Im Privatdruck brachte Djuna Barnes es 1928 heraus, anders wäre es sofort der Zensur zum Opfer gefallen. Busch brachte den Zuhörerinnen die kritische und spöttische Haltung der Autorin zur Subkultur nahe: „Barnes inszeniert die Sexualität und die sozialen Formen der lesbischen Gesellschaft, zelebriert sie genüßlich und nimmt sie satirisch auseinander.“

Die Leserinnen des Buches kannten die Personen, um die es da ging. Evangeline Musset alias Natalie Barney führt darin ein Leben voller genüßlicher Verstöße. Nicht zur Hölle fährt sie, sondern sie wird nach ihrem Tode heilig gesprochen und verbrannt. Doch ihre Zunge verbrennt nicht und züngelt aus dem Aschenhäufchen, angebetet von 40 kahlrasierten Frauen. „O ihr Kleingläubigen!“ steht als Inschrift auf ihrer Gedächtnisstätte... Cornelia Gürtler