Ladenöffnungszeiten: Die Krise kratzt am Sonntag
In die Angst vor einer Konsumflaute platzt Kaufhausbetreiber Dussmann mit der Forderung, an allen Sonntagen öffnen zu können. "Das ist maßlos", sagt Wirtschaftssenator Wolf. Doch wäre die komplette Freigabe der Öffnungszeiten so schlimm?
Konsumgutscheine, Shoppen zur Wirtschaftsrettung - das Feld scheint bereitet für den neuesten Vorstoß, die Sonntagsruhe komplett zu kippen: Das Kaufhaus Dussmann will künftig jeden Tag öffnen können. "Den Sonntag werden wir langfristig auch noch knacken", tönte das Unternehmen am Wochenende. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) aber will an einem erst zwei Jahre alten Parlamentsbeschluss festhalten, der zwar den Landeschluss kippte, aber nur zehn verkaufsoffene Sonntage zuließ.
Die Forderung des Unternehmens, das am Bahnhof Friedrichstraße das "Kulturkaufhaus Dussmann" betreibt, ertönte an einem Adventswochenende, an dem sich die Erwartungen des Einzelhandelsverbands nicht ganz erfüllten - das Weihnachtsgeschäft laufe auf "solidem Niveau", so der Verband.
Die rot-rote Koalition hatte im November 2006 als erstes Bundesland den Ladenschluss gekippt. Geschäfte können seither an Werktagen rund um die Uhr öffnen. Zudem dürfen sie an zehn Sonntagen verkaufen, darunter den Adventssonntagen. Dieser Schritt sollte zum einen Wünschen von Touristen entsprechen, zum anderen aber auch unterschiedliche Ausnahmeregeln beenden.
Weiter aber soll es nicht gehen. "Die Dussmann-Forderung ist maßlos", sagte Wirtschaftssenator Wolf der taz, "die gültige Regelung ist das absolute Maximum, mehr wird es nicht geben." Das sieht auch Wolfs Fraktion im Abgeordnetenhaus so. "Bei den Sonntagen ist für uns das Ende der Fahnenstange erreicht", sagte Fraktionsvize Stefan Liebich. Daran ändere sich auch nichts, wenn die SPD in Richtung Sonntagsöffnung tendiere.
Davon ist aber bei den Sozialdemokraten noch keine Rede. "Das ist für uns derzeit kein Thema", hieß es am Sonntag von Fraktionssprecher Thorsten Metter. Auch die Grünen, die 2006 als einzige Fraktion gegen die aktuelle Regelung stimmten, lehnen mehr verkaufsoffene Sonntage ab. Von der Sonntagsöffnung würden allein die großen Einkaufszentren profitieren, sagte Grünen-Wirtschaftspolitikerin Lisa Paus, dezentrale kleine Geschäfte hingegen würden Kundschaft verlieren. In gleicher Weise äußert sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi: "Sonntagsarbeit verschlechtert die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten."
Schon die derzeitige Regelung hatte zu starkem Protest bei der evangelischen und der katholischen Kirche geführt. Sie reichten Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, weil sie Grundgesetzartikel 140 verletzt sehen, der die Arbeitsruhe regelt. Eine Entscheidung wird für Januar erwartet.
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