: Lacht nicht über Judenwitze
■ Leonhard Koppelmann inszeniert Lessings Die Juden im TIK
Aus Lust am Theater bricht ein junger Mann sein Theologiestudium ab und fängt an, Dramen zu schreiben. Als sein erstes Stück fertig ist, ist er gerade 20 Jahre alt. Es heißt Die Juden, der Studienabbrecher heißt Gotthold Ephraim Lessing. Der junge Mann, der sich nun der Inszenierung dieses Erstlings angenommen hat, hat Schauspieltheaterregie zuende studiert, ist 26 Jahre, heißt Leonhard Koppelmann und legt nach einem Jahr Regieassistenz am Thalia hier ebenfalls sein Debüt hin. Die Wahl des Stückes ist autobiographisch begründet. Koppelmann wurde jüdisch erzogen.
Er schimpft ein bißchen über das „krude Jugendwerk“: „Alle Ausschmückungen und Zusätze in der Handlung werden von dem geraden Lessingtext wieder abgestoßen. Aber die Entscheidung für einen Autor ist auch immer eine Entscheidung für seine Sprache.“
Also bleibt diese natürlich unverändert, obwohl die komplizierte Ausdrucksweise Lessings ein Hindernis für eine flüssige Inszenierung sein kann. Schließlich soll die Geschichte ja das Publikum erreichen.
Das Thema ist aktuell wie immer. Es geht um Vorurteile und um Antisemitismus in Form eines Lustspiels. Koppelmann verspricht: „Kein Besinnungstheater, kein Pathos, keine Verwechslungskomödie.“ Der Witz entsteht aus dem Zusammentreffen der übersteigert gezeichneten Typen. „Lachen gehört zum Verstehen dazu“, findet der Regisseur.
Ein unbekannter Reisender rettet einen Baron aus einem Überfall. Der Fremde und sein Diener bleiben als Gäste in seinem Haus und werden mit Dankbarkeit überhäuft. Zugleich bahnt sich ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zwischen dem Reisenden und der Tochter des Barons an. Wer ist dieser Unbekannte, und warum lacht er nicht über Judenwitze?
Während Lessing 1749 die Figur des Juden benutzte, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, will Koppelmann mehr Gewicht auf den Charakter der Hauptfigur legen. „Die Harmlosigkeit, die in Lessings Lehre liegt, jenseits von Vorurteilen nach dem einzelnen Menschen zu suchen, ist dem Thema heute nicht mehr angemessen.“ In seiner Aufführung soll der Reisende keine Mechanismen vorführen, sondern durch „eigene Reflexion eine Dringlichkeit entwickeln, die ihm eine gewisse Kraft verleiht.“ Ilka Fröse
Premiere: Do, 17. Oktober, 20, Thalia in der Kunsthalle
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