LSD-Kongress in Basel: Ein Trip in der Schweiz
Ist LSD eine Droge oder ein Medikament? Auf dem Welt Psychedelik Forum in Basel diskutierten Wissenschaftler über Nutzen und Gefahr bewusstseinsverändernder Substanzen.
BASEL taz Die Gene von Schimpansen und Menschen sind nahezu identisch, ihre Gehirne ganz ähnlich aufgebaut, und wenn man Affen psychoaktive Substanzen zur Selbstbedienung anbietet, greifen sie bei Alkohol, Nikotin, Opiaten oder Kokain begeistert zu. Nicht aber bei psychedelischen Stoffen wie LSD, Psilocybin oder DMT, denn für diese hat das Affenhirn keine ausreichenden Rezeptoren. Deshalb können Schimpansen auch nicht tanzen, denn wie Psychedelika wirken auch rhythmische Bewegungen auf den Serotoninhaushalt des Gehirns, der für kognitive Prozesse zuständig ist.
Nicht nur Hippies
Zu schrägen Themen wie diesen referierten während der Ostertage 72 Wissenschaftler und ForscherInnen im Kongresszentrum Basel beim Welt Psychedelik Forum unter dem Motto "Bewusstseinswandel als Herausforderung des 21. Jahrhunderts" - und wer beim Stichwort "Psychedelik" nur bunte Bildchen und Hippieromantik assoziiert, wurde von der Fülle von Fakten und Präsentationen der Kognitionswissenschaftler, Neurobiologen, Tiefenpsychologen, Anthropologen oder Schamanismusforschern schier erschlagen. Wie schon beim Kongress vor zwei Jahren an gleicher Stelle, zum hundertsten Geburtstag des LSD-Entdeckers Albert Hofmann, zeigte sich auch dieses Mal, dass veränderte Bewusstseinszustände keineswegs nur ein Thema für alte Hippies darstellen - mindestens die Hälfte der 1.500 BesucherInnen war im Summer of Love 1967 noch längst nicht auf der Welt.
Hunderte junge Frauen hörten mit großem Interesse den Vortrag von "Mountain Girl" Carolyn Garcia, die über die legendären Acid-Tests und die Busreisen der Merry Pranksters berichtete, bei denen vor dem Verbot von LSD hunderttausende AmerikanerInnen angeturnt wurden. Dass die Queen aller Deadheads, die Ehefrau des verstorbenen Grateful-Dead-Gitarristen Jerry Garcia, nicht nur großartige Geschichten erlebt hat, sondern auch im Großmutteralter noch so munter und offen wie ein Teenager wirkt, animierte ihre jungen Zuhörerinnen zu erfrischenden Fragen und Kommentaren.
Ein neuer Drogenkrieg
Neben Pionieren der transpersonalen Psychologie wie Stanislav Grof präsentierten unter dem Stichwort "Rising researchers" junge Doktoranden und Forscher aus aller Welt ihre Arbeiten, die von der globalen Verbreitung psychoaktiver Pflanzen und Pilze über molekularbiologische Zusammenhänge des Bewusstseins bis zur Dechiffrierung visionärer, halluzinatorischer Bildinhalte reichte. Die Nachricht, dass sich in den USA das jahrzehntelang auch für die wissenschaftliche Forschung geltende Totalverbot von LSD und anderen Psychedelika langsam lockert, kann indessen nicht wirklich optimistisch in Hinblick auf eine Beendigung des Drogenkriegs stimmen. Es ist ein anderer Krieg, der für diese scheinbare Liberalisierung sorgt - die zu tausenden aus dem Irak und Afghanistan als körperliche oder seelische Invaliden heimkehrenden US-Soldaten. Für die Behandlung von PSD (Post Traumatic Disorders) scheinen Psychotherapien, die von MDMA (Ecstasy) oder LSD gestützt werden, die wirksamsten und preiswertesten Möglichkeiten zu sein.
Cary Grant nahm LSD
So deutet sich ein merkwürdiges Paradox an: LSD, für dessen Herstellung oder Besitz derzeit hunderte Gefangene mit jahrzehntelangen Haftstrafen einsitzen und das nach seiner Entdeckung 1943 von Militär und Geheimdiensten als Mittel biochemischer Kriegführung oder Gehirnwäsche getestet wurde, kommt wieder als Medikament zu Ehren, um die seelischen Wunden von Söldnern und Veteranen zu heilen. "Ich mag eigentlich keine Drogen. Aber LSD hat mir sehr geholfen. Ich finde, alle Politiker sollten es nehmen." Diese Forderung, die der Hollywoodstar Cary Grant Ende der 1950er-Jahre - nach über 80 LSD-Sitzungen mit dem Psychotherapeuten Oscar Janiger - stellte, scheint durchaus aktuell zu sein.
Nach den präsentierten Forschungsergebnissen zu psychedelischen Substanzen - ob als Medikament für die Psychotherapie, für experimentelle Spiritualität oder als wissenschaftliches Werkzeug zur Erforschung des Bewusstseins und der Wahrnehmung - kann die ausbleibende Neueinstufung nicht an Datenmangel liegen. Sie liegt an Politikern, die darüber urteilen wie Blinde über die Farbe. Aber, mahnte der Ethnopharmakologe Dennis McKenna, auch wenn das anders wäre und LSD helfen könnte, den notwendigen Bewusstseinswandel einzuleiten: "Wir sollten nie vergessen, dass wir immer noch Affen sind, die sich nur einbilden, dass sie den Laden hier schmeißen."
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