LKW-FAHRER UND SPEDITEURE SOLLTEN IN DIE GLEICHE RICHTUNG STEUERN: Geteilt und beherrscht
Manchmal ist es gut, wenn EU-Minister nichts beschließen. Nichts wäre dümmer gewesen, als der so genannte Kompromissvorschlag, den die Verkehrsminister in Luxemburg verhandelt haben. Eine Arbeitszeitbegrenzung nur für angestellte Fahrer, nicht aber für Selbstständige, ist nicht besser als nichts, wie uns Minister Klimmt weismachen wollte, sondern schlechter. Dies wäre nur ein weiterer Anreiz gewesen, noch mehr Fahrer in die Scheinselbstständigkeit zu treiben.
In Deutschland heißt die häufige Wahl: entweder dem Chef den Lastwagen abkaufen und als Subunternehmer fahren – oder den Job verlieren. So fährt inzwischen jeder zweite Brummi-Fahrer auf eigenes Risiko. Krankheit ist Luxus, Urlaub nicht planbar. Der Subunternehmer ist die moderne Variante des Lumpenproletariers – der abzustotternde Lastwagen ist ein Klotz am Bein, kein Kapital.
Und doch trifft auf den Spediteur nicht die Karrikatur des Zigarre rauchenden Kapitalisten zu. Er gibt den Druck des Sozialdumpings bloß weiter, kämpft selbst ums Überleben. Denn in den EU-Nachbarstaaten fahren oft noch billigere so genannte Praktikanten aus Osteuropa.
Divide et impera, teile und herrsche, lautet eine absolutistische Regierungsmaxime. In unseren aufgeklärten Zeiten ist es die unsichtbare Hand eines wildwüchsigen Marktes, die so regiert. So verirren sich Fahrer und Spediteure in Ersatzhandlungen, wie dem Protest gegen höhere Spritpreise – die sie unter normalen Marktbedingungen auf die Preise umlegen könnten. Doch die sind eben nicht normal. Während die Nummernschilder EU-einheitlich vorgeschrieben sind, gibt es keine einheitlichen Regeln im Transportsektor. Seit zwei Jahren doktert der Ministerrat daran herum.
Auch die Gewerkschaften tun sich schwer, den Fernfahrern eine Stimme zu geben. Vereinzelte Arbeiter, ständig auf Achse, lassen sich kaum organisieren. Geschickter wäre es, den Schulterschluss mit den Spediteuren zu suchen. Schließlich profitierten die ebenfalls vom Ende des Sozialdumping-Wettbewerbs. Leider versäumte es die ÖTV, sich an die Proteste anzuhängen, ihnen eine neue Richtung zu geben. Eine verpasste Chance.
MATTHIAS URBACH
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