LInkspartei will Vorstand verkleinern: Doppelspitze statt Viererbande
Ineffektive Strukturen revolutionieren will Hamburgs Linkspartei. Der Vorstand soll arbeitsfähig werden, die Trennung von Amt und Mandat wird wohl aufgehoben.
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Vorstandssitzungen bei der Hamburger Linkspartei sind keine reine Freude, so wird berichtet. 20 Leute sitzen da, sofern nicht jemand unentschuldigt fehlt, debattieren schwungvoll und stellen nach Stunden fest, dass die Tagesordnung kaum kürzer geworden ist. "Ich tue mir das nicht mehr an", sagt ein Bürgerschaftsabgeordneter mit Gaststatus, und Herbert Schulz, einer von vier gleichberechtigten Vorstandssprechern der Partei, räumt ein, dass das Gremium "eine zeitraubende Größe" habe.
Das soll sich ändern, zur Entscheidung steht die Gretchenfrage: Basisdemokratie oder Effektivität, Programmatik oder Professionalität? Fünf Jahre nach der Fusion von WASG und PDS (siehe Kasten) zur Linkspartei sei "eine Reform fällig", findet Schulz: "Der Landesvorstand muss entscheidungsfähig werden."
Als Diskussionsgrundlage für einen Parteitag im November liegt jetzt ein 13-seitiger Vorschlag zur Reform der Führungsstrukturen vor, der einer Revolution gleichkommt. Statt der Viererbande soll es eine Doppelspitze geben, der Gesamtvorstand von 20 auf sieben Mitglieder verkleinert und die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben werden. Damit können Abgeordnete in der Parteiführung mitarbeiten und Vorstandsmitglieder künftig für Parlamente kandidieren. "Wir müssen die Parallelentwicklung zwischen Partei und Fraktion stoppen", sagt Schulz, "und die Arbeit besser verzahnen."
Die Linke in Hamburg entstand im Juni 2006 durch die Fusion der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Landesverband: Die Linke in Hamburg hat zurzeit fast 1.500 Mitglieder, das entspricht in etwa der Größe von GAL und FDP. Vorstand: Die vier gleichberechtigten SprecherInnen sollten das Prinzip der "doppelten Quotierung" repräsentieren: je ein Mann und eine Frau von WASG und PDS. Fraktion: In der Bürgerschaft ist die Linke seit 2008 vertreten. Bei der Wahl am 20. Februar 2011 zog sie mit 6,4 Prozent und acht Abgeordneten zum zweiten Mal ins Rathaus ein sowie in alle sieben Bezirksversammlungen.
So sieht das auch der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der als ehemaliger Parlamentarier der GAL und der Grünen-Abspaltung Regenbogen über Erfahrung mit diesem Thema verfügt: "Die Trennung sollte eine Stärke der Partei sein, aber in der Realität ist es eine Schwäche. Die Fraktion arbeitet mit großer Eigenständigkeit, der Landesvorstand ist nach außen nicht wahrnehmbar."
Das räumt auch Schulz ein. "Wir haben wohl eher nach innen gewirkt", sagt er. Auch habe es keine genaue Arbeitsteilung gegeben. Schon das Verfassen einer Pressemitteilung scheitert bislang an ungeklärten Zuständigkeiten - der Landesvorstand hat in fünf Jahren kaum eine politische Stellungnahme veröffentlicht und selbst in der Partei weiß kaum jemand, wer die vier Vorstandssprecher sind.
Mit einem Schmunzeln erzählen manche von einem Vorfall aus dem Vorjahr. Die Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn, das Gesicht der Linken in der Öffentlichkeit, war mal wieder zur Polit-Talkshow "Schalthoff" auf Hamburg 1 geladen. Der Landesvorstand aber wollte auch mal ins Fernsehen und teilte dem Sender mit, er werde einen Vertreter schicken. Daraufhin lud Moderator Herbert Schalthoff die Linken aus - und den Vorsitzenden der damals noch außerparlamentarischen FDP, Rolf Salo, ein. "Ich suche mir meine Gäste immer noch selbst aus", stellte Schalthoff klar.
Künftig soll der Vorstand aus zwei gleichberechtigten Sprechern, SchatzmeisterIn und vier BeisitzerInnen bestehen, "eine Minderheit" von höchstens drei Mitgliedern darf Mandatsträger in Bürgerschaft, Bundestag oder Europaparlament sein. Wichtig sei es, so die Antragsbegründung, "Fraktionen durch direkte Zusammenarbeit stärker in die inhaltliche Disziplin von Partei und Vorständen einzubinden".
Dass sie an die Kandare genommen werden solle, liest Dora Heyenn aus dieser Passage aber nicht heraus. "Ein öffentlich wahrgenommener Landesvorstand tut uns allen gut", kommentiert sie. Jünger dürfe er auch werden: Die vier VorstandssprecherInnen sind zusammen 229 Jahre alt.
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