LIECHTENSTEIN: DIE SORGLOSEN „BLÜTEN-REVOLUTIONÄRE“ VON VADUZ : Kapitalflüchtlinge fürchten Alpen-Domino
Ein Importartikel aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stiehlt deutschen Steuerhinterziehern ihre Ruhe. Die „Revolution der Blüten“ in Liechtenstein nahm ihren Verlauf ganz so wie ihre Rosen-, Orangen- und Tulpen-Schwestern in Georgien, der Ukraine und Kirgisien.
Besonders süffisant waren in Vaduz die „Akajew! Akajew!“-Rufe, als die Demonstranten um den Sitz des hinter der Wahlmanipulation vermuteten autokratischen Landesherrschers Adam II. zogen – eine kaum verhüllte Aufforderung an den Fürsten, ähnlich dem kirgisischen Wahlfälscher sein Heil in der Flucht außer Landes zu suchen. Aber der Jubel, der ausbrach, als Adam gestern tatsächlich seine Übersiedlung nach Wien bekannt gab, wird die Krise nur kurzzeitig überdecken, auf die das Alpenland nun zusteuert.
Denn die Kapitalflucht hat bereits begonnen. Dabei droht keine unmittelbare Gefahr: Die von der EU-freundlichen Opposition versprochenen Reformen des Finanzsektors und die Privatisierung des Fürstenvermögens müssen noch warten, weil dazu unter anderem erst die autoritäre Landesverfassung geändert werden muss. Die internationalen Anleger, vor allem die deutschen, geben jedoch zu erkennen, dass zumindest sie bereits im Begriff sind, den Standort aufzugeben, um ihr illegales Geld nicht zu gefährden. Damit stützen sie unfreiwillig die Glaubwürdigkeit der „Blüten“-Demonstranten, die zu einem begrenzten Verlust an Wohlstand bereit sind, um ihren europaweit miserablen Ruf aufzubessern.
Ob aber ihre Einschätzung stimmt, dass höchstens die Hälfte der in Liechtenstein geparkten Gelder das Land verlassen wird, ist nicht sicher. Der gestern abgestürzte Kurs des Schweizer Frankens, Landeswährung auch in Liechtenstein, deutet darauf hin, dass nun der ganze Währungsraum als gefährdete Zone gilt; zum Standortrisiko Liechtenstein kommt das Währungsrisiko Franken.
Damit ist ein Domino-Effekt ähnlich dem unter den UdSSR-Nachfolgern zu erkennen: Gestern wurde in den Schweizer Bankzentren Genf und Zürich bereits zu Demonstrationen aufgerufen. Motto: „Wir sind die Edelweiss-Revolution.“DIETMAR BARTZ