LIEBESERKLÄRUNG : Hugendubel
Langsam verschwinden die großen Büchertempel – zuletzt in Stuttgart. Eine Ode
Sie sind in der Innenstadt verabredet? Er oder sie lässt sie warten, weil der Zug Verspätung hat? Wie schön. Sie haben Zeit in den Weiten des Büchertempels Hugendubel zu stöbern, das erste Kapitel ihres Funds auf einer der roten Polsterbänke zu lesen, oder im Untergeschoss einen Espresso zu trinken, der sicher besser schmecken wird, als der von Starbucks gegenüber.
In Stuttgart wird das bald nicht mehr möglich sein, und es bricht einem das Herz. Die Hugendubel-Filiale in der Königstraße wird bald schließen müssen, weil der Umsatz die Mietkosten nicht mehr deckt. Schon die Berliner Filiale in der Tauentzienstraße fiel den roten Zahlen zum Opfer, und als wäre das nicht genug, ist auch noch die Mutter des inhabergeführten Unternehmens schwer angeschlagen: Bis 2016 soll die Filiale am Münchener Marienplatz auf ewig ihre Türen schließen. Ihre Eröffnung läutete 1979 den Beginn des Großflächen-Buchhandels ein.
Rolltreppen, Verpackungsstationen mit Flughafen Check-in-System, aufregende Ramschtische am Eingang, eine eigene Abteilung für englischsprachige Literatur – auf all das will Hugendubel in Zukunft verzichten, wenn die Konsumtempel an den Hotspots der Großstädte geschlossen und nur noch kleine Filialen übrig bleiben werden. Doch damit verliert das Unternehmen alles, was es einst ausmachte. Bei Hugendubel will man anonym sein, und wer eine Beratung braucht, stellt sich gern am Infopoint an. Man will sich verirren auf den großflächigen Etagen, unnötige Notizbücher kaufen, die zu viel kosten, und spontan Geschenke besorgen, die Amazon nicht mehr zu liefern imstande ist – ja, auch der Expresslieferdienst ist häufig nicht schnell genug. Dennoch hat der Onlineversand auch diesen Kampf gewonnen. Und Sie spielen einsam an Ihrem Smartphone herum, während Sie auf Ihr Date warten. FATMA AYDEMIR