LESERINNENBRIEFE :
Gläserne BürgerInnen
■ betr.: „Vorratsdatenspeicherung“, taz vom 16. 4. 15
Keine nachträglichen Bewegungsbilder, keine Speicherung von Mail-Inhalten und aufgerufenen Websites. Das klingt doch ganz anständig, was sich Justizminister Maas und Innenminister de Maizière da ausgedacht haben (um nicht erneut vor dem Verfassungsgericht bloßgestellt zu werden). Wer es glaubt! Wie lange gelten diese Einschränkungen, bis sie aufgeweicht werden?
Spätestens seit den Veröffentlichungen von Snowden sollte auch bedacht werden, dass sich aus- und inländische Geheimdienste nicht unbedingt an die Gesetze halten. Folglich kann eine anlasslose mehrmonatige Vorratsdatenspeicherung auch Ziel von Geheimdiensten sein. Selbst wenn die Daten vorschriftsmäßig gelöscht werden und die Polizei Daten nur auf richterlichen Beschluss nutzt, bleibt der Nutzen fraglich.
Sigmar Gabriel mag zwar behaupten, dass von der Vorratsdatenspeicherung auch die Aufklärung von Breiviks Attentaten profitierte, obwohl es in Norwegen faktisch gar keine Speicherung gibt. Aber die deutschen Behörden haben bereits während der NSU-Morde bewiesen, dass es nicht darauf ankommt, alles wissen zu können, sondern bestimmtes Wissen zu nutzen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Die neuere kleinere Vorratsdatenspeicherung bleibt ein Law-and-order-Prestigeprojekt und führt uns alle einen Schritt näher zur gläsernen BürgerIn. ROBERT TIEDE, Gießen
Alles Geschwätz
■ betr.: „G36. Das Schießgewehr“, taz-Gedöns vom 21. 4. 15
Alles Geschwätz. Die beste Waffe ist die, die nicht funktioniert.REH GUNDOLF, Wald-Michelbach
Demokratische Transparenz
■ betr.: „TTIP. Das Ratsgeheimnis“, taz vom 20. 4. 15
Der Bericht bringt die ganze Crux von TTIP auf den Punkt, auch wenn es besser Kommissionsgeheimnis heißen müsste. Denn gerade dadurch, dass man die eigentlichen Verhandlungen für eine Freihandelszone zwischen den USA und Europa selbst für viele Politiker zu einer Verschlusssache erklärt, offenbart sich der nicht gemeinwohlfreundliche Charakter. Bei einer angemessenen demokratischen Transparenz und Kontrolle müssten die Delegationen auf beiden Seiten des Atlantiks bei ihrer schwierigen Kompromissfindung von vornherein viel stärker Rücksicht auf soziale und ökologische Standards nehmen. RASMUS PH. HELT, Hamburg
Ein Ende der Geheimdiplomatie
■ betr.: „TTIP. Das Ratsgeheimnis“, taz vom 20. 4. 15
Danke für die so präzisen wie gut gebündelten Informationen über das Geheimhaltungsregime der EU-Kommission und der US-Regierung! Im Übrigen: Das TTIP-Projekt wird ja gerne als die wirtschaftspolitisch dringend gebotene Vertiefung der traditionell guten US-europäischen Beziehungen gepriesen. Da lohnt es, mal einen Blick in den Text zu werfen, den man wohl ein Gründungsdokument dieser guten Beziehungen nennen könnte, die 14 Punkte des US-Präsidenten Thomas Woodrow Wilson (Demokrat) vom 8. Januar 1918.
Gleich im ersten Punkt seines Grundsatzkatalogs (auf dessen Basis auch die kaiserliche Reichsregierung die Gegenseite um die Beendigung des verlorenen Krieges ersuchte) forderte der US-Präsident ein Ende aller Geheimdiplomatie, von deren Unverträglichkeit mit demokratischem Regieren er zutiefst überzeugt war. Es waren damals europäische Politiker, die, ohne das offen zu sagen, von einem Bruch mit der Geheimdiplomatie durchaus nichts hielten. Heute ist die Rollenverteilung in dieser Hinsicht nicht etwa umgekehrt, sondern die EU-Kommission versucht nur, durch ein scheinbares Bemühen um mehr Transparenz berechtigtes Misstrauen ihren Absichten gegenüber einzuschläfern. Träte sie tatsächlich für die Abkehr vom Geheimhaltungsprinzip ein, wäre eine solche Politik übrigens keineswegs „fast antiamerikanisch“, weil die praktizierte Geheimhaltung auch den Ausschluss der demokratischen Öffentlichkeit in den USA selbst bezweckt. Viele kritische Juristen und demokratische Politiker in den USA haben diesen Zusammenhang längst erkannt und benannt. JÜRGEN KASISKE, Hamburg
Positive Formulierungen
■ betr.: „Protest. Die Herzkammer pocht“, taz vom 20. 4. 15
EU-Kommission zu den 1,7 Millionen Unterschriften gegen TTIP: „Bürgerinitiativen dürften nur positive Formulierungen erlassen“? Das können sie haben!
Wir fordern, dass das Best-Standard-Prinzip gilt, das heißt, wenn in einem der TTIP-Länder ein Standard bei Giften oder beim Verbraucherschutz strenger, bei sozialen Belangen besser für die breite Mehrheit der Bevölkerung ist, dann muss dieser Standard auch in allen anderen TTIP Ländern übernommen werden. Also wenn Deutschland/EU genmodifizierten Mais verbieten, gilt das Verbot in allen TTIP-Ländern; wenn Frankreich die 30-Stunden-Arbeitswoche einführt, dann gilt in allen TTIP-Ländern die 30-Stunden-Arbeitswoche. Auch bei den Schiedsgerichten fordern wir, dass Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen und Gewerkschaften ein Klagerecht erhalten, wenn sie der Meinung sind, dass die berechtigten Interessen, die sie vertreten, verletzt wurden. Und diese Organisationen stellen mindestens eines der drei Schiedsgerichtsmitglieder.
So wird ein Schuh aus TTIP! RICCARDO ESCHER, München