LESERINNENBRIEFE :
Roma sind kein Geruch
■ betr.: „Der Geruch der Armut“, taz vom 3. 1. 13
Jahrzehnte brauchte es, den Begriff der „Zigeuner“ in breiter Öffentlichkeit zu dekonstruieren – jenen Begriff, der ethnische und soziale, „rassische“ und charakterliche Vorstellungen vermengte und zu einem einzigen Bild der Verachtung zusammenfügte. Der nächste Schritt im Sinne des Autors soll nun also die Rekonstruktion unter dem einst respektvolleren und differenzierteren Wort „Roma“ sein, als eine Vereinigung von „Volk“ und „Schicht“? Mit der guten Absicht, systematische Benachteiligung greifbar zu machen, perpetuiert der Autor zu überwindende Vorstellungen, angeblich gezwungen durch „die Realität“. Doch er selbst stellt fest, dass sich Perspektivlosigkeit nicht ethnologisch umzäunen lässt – so sollte sich auch ihre Bekämpfung, ebenso wie die der Armut, nicht an einer Ethnie festmachen. Die zynischen Worte derer, die unter Verweis auf Fälle von Aufstieg Benachteiligung leugnen, möge man als solche entlarven, Klassismus als solchen bekämpfen. Bei anderen Problematiken sollte sich der Blick auf die Ethnie richten: Bei individuellem ethnischem Hass ebenso wie bei institutionellem Rassismus. Wer meint, das Leid eines Menschen gehe ihn aufgrund dessen Angehörigkeit zu einer „anderen“ Ethnie nichts an, gehört vom Gegenteil überzeugt. Und bei all dem gebe man den Fortschritt in unserer Vorstellung nicht auf: Roma sind kein Geruch, Roma sind keine Schicht!
JONATHAN SCHMIDT-DOMINÉ, München
Verinnerlichte Stereotype
■ betr.: „Auferstehung des Sieges“, taz vom 3. 1. 13
Würde ein Zeitungskommentar die Behauptung aufstellen, Miley Cyrus mache sich repräsentativ für die Frauen dieser Welt nackig, gäbe es Proteststürme sondergleichen. Was soll also die klischeehafte Pauschalisierung, die Männer der Welt fänden es schlechthin geil, wenn Michael Schumacher für sie im Kreis gefahren sei?! Hat der Kfz-Renn„sport“ überhaupt keine weiblichen Anhänger? Und weshalb sollte fehlendes Interesse am Formel-1-Zirkus (oder gar an Fußball) unmännlich sein?
Scheinbar hat sich noch nicht bis zu allen taz-RedakteurInnen herumgesprochen, dass zur Geschlechtergerechtigkeit vor allem das Verschwinden verinnerlichter Stereotype notwendig ist … oder wenigstens der Einsatz deutlicherer Ironiesignale.
FRANK PÖRSCHKE, Hattingen
Wie eine Befreiung
■ betr.: „Auferstehung des Sieges“, taz vom 3. 1. 13
Schöne Zusammenfassung von Silke Burmester in der Unterüberschrift: GEIL. Diese Berichterstattung in den letzten Tagen in allen anderen Medien ist mir so auf den Senkel gegangen, dass nun dieser Artikel wie eine Befreiung wirkt. Danke. Dafür schätze ich die taz. Immer wieder. Immer mehr. THOMAS MEIER-AHRENS, Molfsee
Gleichheitsgrundsatz
■ betr.: „Verbraucher zahlen für neue Industriegeschenke“,taz vom 4. 1. 13
Wie verhält es sich eigentlich mit dem Gleichheitsgrundsatz, wenn Firmen durch die Erstattung ihrer EEG-Umlage eine Bruttowertschöpfung von über 15 Prozent erreichen? Auch hier zeigt sich, dass Personen und Firmen, die dilettantisch und mit mangelhaften Konzepten arbeiten, nicht nur eine Erstattung ihrer Verluste bekommen, sondern noch einen Gewinn obendrauf!
Ähnliches zeigt sich auch bei den Subventionen für die Agrarbetriebe. Viele Betriebe, die kleinteilig und naturnah arbeiten, mit vielen Beschäftigten, die dafür sorgen, dass es überhaupt noch Arbeitsplätze auf dem Lande gibt, werden nicht nur durch geringere Subventionen bestraft, sondern die Konkurrenz wird durch höhere Subventionen gefördert. ARNE MATSCHINSKY, Hamburg
700 neue Anträge
■ betr.: „Verbraucher zahlen für neue Industrie-Geschenke“,taz vom 4. 1. 13
Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel der Ökostromversorger LichtBlick: Anstatt den Preis zu erhöhen, wird die Kilowattstunde um 0,72 Cent gesenkt. Der Grund ist der gestiegene Anteil an Ökostrom. Auch der Strompreis an der Börse ist erheblich gefallen, aber diesen Vorteil geben die „normalen“ Stromversorger nicht an ihre Kunden weiter, sehen sie sich doch mit gewaltigen Einbrüchen ihrer Gewinne konfrontiert, die bisher von den zahlenden KundInnen garantiert waren. Und jetzt zahlen die NormalverbraucherInnen dafür, dass immer mehr angeblich stromintensive Betriebe von der EEG-Umlage ausgenommen werden.
Während Bundeskanzlerin Merkel noch im September 2012 erkannte, dass auch Betriebe, die nicht exportieren und also nicht im internationalen Wettbewerb stehen, von der Umlage weitgehend befreit sind, hat gerade ihre Regierung 2012 die Kriterien für die Ausnahmen erheblich aufgeweicht, sodass sich die Zahl der befreiten Betriebe von 2012 zu 2013 verdoppelt hat. Und obwohl der neu gekürte Bundeswirtschaftsminister Gabriel erklärt hat, die Zahl der Betriebe, die die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen, zu reduzieren, liegen nun für 2014 nochmals 700 neue Anträge vor. Da wird das weitere Vorgehen der EU-Kommission von Interesse sein, die die Ausnahmeregelung des EEG-Gesetzes für wettbewerbsverzerrend hält.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel