LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Politisch und strategisch falsch“, taz vom 4. 5. 09
Zurücklehnen geht nicht bei Nazis
Felix Lees Meinung, es wäre besser gewesen, die Nazis am 1. Mai „kontrolliert“ in Hannover marschieren zu lassen statt unkontrollierter Angriffe anderswo, kann ich bei aller Sympathie nicht zustimmen: Zwar sitzt der Schreck insbesondere über den krassen Dortmunder Überfall in den Knochen. Aber falsch war doch nicht das Verbot für Hannover, sondern die sträflich-fahrlässige Fehleinschätzung (wohlwollend interpretiert) der Dortmunder Polizei, welche den Nazis den Angriff auf die DGB-Demo ermöglichte! Es zeigt sich, dass Fascho-Übergriffe keine Ein-Punkt-Geschichten mehr sind. Ein Zurücklehnen Marke „heute ist Nazidemo in Stadt X, prima, dann wissen wir wenigstens, wo sie sind“ ist blauäugig, allemal an Tagen wie dem 1. Mai, den sich Faschos zunehmend bundesweit anzueignen versuchen. Aber eben auch alltägliche Aufmerksamkeit ist nötig: keine stillschweigende Toleranz gegenüber rechten Clubs oder Zeltlagern oder einschlägigen Treffen in Kneipen, gegenüber rassistischen und/oder antisemitischen Stammtischparolen, nie und nirgends! BIRGIT SCHNEIDER, Göttingen
■ betr.: „Die gefühlte Schweinegrippe“, taz vom 2./3. 5. 09
Niemals mit dem Arzt diskutieren
Das Erste, was frau 1972 bei Aufnahme eines Studiums an einer Medizinischen Hochschule gelernt hat – und dies wurde in speziellen Seminaren vermittelt –, war: Der Arzt/die Ärztin hat im Umgang mit den Patienten stets die Autoritätsperson zu sein, niemals darf er/sie sich mit ihnen gemein machen, geschweige denn sich in medizinische Diskussionen einlassen, die diese natürliche Hierarchie in Frage stellen könnten. Auf dieser vordemokratischen Stufe sozialer Inkompetenz verharrt offensichtlich auch der neue taz-Doktor. Das gemeine Volk hat sich bitteschön darauf zu beschränken, die Symptome zu benennen, und es sich zu verkneifen, über mögliche ihnen zugrunde liegende Krankheiten nachzudenken, geschweige denn mit diesen Überlegungen auch noch den Arzt zu belästigen. Widerspruch und Zweifel an der ärztlichen Ergebnisfindung und der Wunsch, darüber mit dem Arzt/der Ärztin in einen Diskurs auf Augenhöhe eintreten zu wollen? Diese Möglichkeit wird von dem Kolumnisten gar nicht erst in Betracht gezogen. Ich schlage für den taz-Doktor eine Fortbildung zum Thema zeitgemäßes, demokratisches Arzt-Patienten-Verhältnis vor.
MARION SCHOLE, Lüerdissen
■ betr.: „Fiese Grippe in Brandenburg“, taz vom 4. 5. 09
Explosive Virenbrutstätten
Die ganze Welt starrt wie hypnotisiert auf das Schweinegrippevirus, doch von den eigentlichen Problemen der Schweinemast wird krampfhaft abgelenkt. Es ist bekannt, dass Massentierhaltungen explosive Brutstätten gefährlicher Infektionskrankheiten sind. Bei 92 Prozent der deutschen Schweine findet man routinemäßig verschiedene Influenzaerreger, fast alle Lungen der Schlachtschweine sind verändert durch Bronchitis und Lungenentzündung. Dabei sind die armen Tiere gerade erst fünf Monate alt. Das Agrar-Business ist in der Hand mächtiger, weltweit tätiger Konzerne, und die haben was dagegen, wenn über diese entsetzlichen Zustände in den Tierfabriken gesprochen wird, in denen Tausende von elenden Geschöpfen dicht an dicht und verschmutzt durch ihre Exkremente, dem scharfem Ammoniakdunst ausgeliefert, vegetieren.
Die Industrialisierung der Tierhaltung, der „Strukturwandel“, ist für eine massive Überproduktion verantwortlich und hat einen extremen Preisverfall ausgelöst. Wer als Bauer nicht aufgeben wollte, musste ebenfalls seinen Bestand den Methoden der Tierfabriken anpassen. Aber mit den meist holländischen Investoren, die Ostdeutschland seit einigen Jahren mit Hunderttausendenden von Schweineplätzen zupflastern, können sie nicht konkurrieren. Der einzige Ausweg für sie wäre, biologisch und extensiv mit traditionellen Rassen in artgerechter Freilandhaltung zu arbeiten. Alle Tiere gehören in kleine Bestände und täglich an die Sonne, sage ich als Tierärztin.
Doch zunehmend werfen die Behörden den artgerechten Freilandhaltern Steine in den Weg, ausgerechnet mit der fadenscheinigen Begründung, Freilandschweine könnten sich mit Infektionen anstecken und würden stinken (Emissionsschutz). Es ist wie mit der Vogelgrippe: Die Konkurrenz der Konzerne soll beseitigt werden. KARIN ULICH, Sigmarszell-Thumen
■ betr.: „Feige und hinterhältig“, taz vom 2./3. 5. 09
Feige und heimtückische Nato
Außenminister Steinmeier setzte als „Zeichen des Wiederaufbaus“ ein junges Bäumchen in die afghanische Erde. Dabei erlebte er die Realität in einem Lande, in dem Nato-Soldaten (auch deutsche) Krieg führen und Mensch und Natur vernichten. Die Taliban stoppten eine Patrouille, töteten einen und verletzten vier weitere Soldaten. Herr Steinmeier benutzt eine Sprache („feige“, „heimtückisch“), die der politischen Lage völlig unangemessen ist. Bombenattentate oder Angriffe auf eine fremde, eingedrungene und als Besatzung empfundene Armee sind keine „feigen und heimtückischen Anschläge“. Der „Hinterhalt“, in den die Bundeswehrsoldaten gerieten, ist genauso „feige und heimtückisch“ wie die Luft- und Raketenangriffe der Nato auf vermutete Stellungen der Taliban. Aus dem Teufelskreis Angriffskrieg der Nato contra Attentate der Taliban kommt man nur heraus, wenn das Besatzungsregime beendet wird – was ja auch die Mehrheit der Bundesbürger wünscht. ERNST BUSCHE, Bremen
■ betr.: „Niederlande unter Schock“, taz vom 2./3. 5. 09
taz-Leser unter Schock
taz-Leser auch unter Schock! Was um alles in der Welt hat euch geritten, dieses Foto in die Zeitung zu setzen? Welchen Sinn macht ein Farbfoto gerade sterbender, in einen tragischen Unfall verwickelter Menschen? Man muss weder Arzt sein, um zu begreifen, was ihr da veröffentlich habt, noch muss man Kinder haben, um die Erklärungsnot für solche Bilder empfinden zu können. MARISKA SCHÖNROCK, Berlin