LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Mehrwertsteuer: Suche nach dem geringsten Widerstand“ von Hannes Koch, taz vom 26. 6. 09
Das Spiel der Steuerversieber
Hannes Koch hat Recht: die Parteien lassen Luftballons steigen, wo sie das Geld hernehmen, was sie woanders verpulvert oder versprochen haben. Es wird wohl wieder eine Mehrwertsteuererhöhung sein. Aber dass Koch nun das Spiel der Steuerversieber mitspielt, ist unerträglich: Steuersystematische Überlegungen hin oder her, was er vorschlägt, ist eine drastische Steuererhöhung für die Kleinen: Alle Lebensmittel um elf Prozent teurer. Denn nur die wirklich Reichen werden mit der versprochenen Steuersenkung (CDU) die Mehrkosten ausgeglichen bekommen, der Rest nicht. Da ist der taz-Kommentator also der Erste, der das fordert, was alle befürchten: Es sollen also nur die mit wenig Geld für das Chaos zahlen, dass Aktienbesitzer und andere Spekulanten angerichtet haben. Ich fasse es nicht.
THOMAS KELLER, Königswinter
■ betr.: „Mehrwertsteuer: Suche nach dem geringsten Widerstand“, taz vom 26. 6. 09
Unsoziales Steuersystem
Eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes trifft vor allem die Bevölkerungsgruppen besonders hart, die einen großen Anteil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben: Hartz-IV-Empfänger, Menschen mit schlechtem Einkommen, Familien mit Kindern und Rentner mit kleiner Rente. Ein Ausgleich durch Anhebung von Transferzahlung ist, wenn überhaupt, nur für Hartz-IV-Empfänger denkbar, wenn auch unrealistisch. Die anderen Gruppen wären davon nur betroffen, wenn ihr Einkommen unter die Bedürftigkeitsschwelle sinkt und sie aufstockend Hartz IV bekommen würden. Dies setzt sie aber dem entwürdigenden Kontrollsystem von Hartz IV aus und kommt ihnen auch erst nach Aufbrauchen aller persönlichen Reserven zugute.
Die OECD hat vor wenigen Wochen festgestellt, dass Deutschland eines der unsozialsten Steuer- und Abgabensysteme hat, weil es bereits Geringverdienern überdurchschnittlich hohe Lasten abverlangt, während die Abgabenquote ab einem gewissen Einkommen wieder sinkt. Eine gerechte Lösung muss daran etwas ändern und nicht die unsozialste aller Lösung wählen, selbst wenn man nicht in Betracht zieht, wer die momentane Kassenknappheit zu verantworten hat. Das schließt das Streichen der Ermäßigung für Wildpferde, Münzen, Gemälde usw. ja nicht aus. OLAF IPPISCH, Stuttgart
■ betr.: „Essen ohne Schuld?“ von Till Ehrlich, sonntaz vom 27. 6. 09
Soja für die Nutztiere
Till Ehrlich weist darauf hin, dass der Sojaanbau in Südamerika für Umweltzerstörung und wachsende Armut verantwortlich sei. Auch wenn er es nicht ausdrücklich sagt, so ergibt sich aus dem Kontext, dass er hierfür VegetarierInnen, die ja in überdurchschnittlichem Maße Sojaprodukte konsumieren, verantwortlich macht.
Hierzu ist zu sagen, dass rund 80 Prozent der Weltsojaernte an sogenannte Nutztiere verfüttert wird. Lediglich etwa fünf Prozent der Welternte werden direkt für die menschliche Ernährung verwendet. Darüber hinaus werden beispielsweise etwa 40 Prozent der Weltgetreideernte verfüttert. Durch diese sogenannte Veredelung gehen viele der Kalorien „verloren“. Im Durchschnitt sind für die Erzeugung einer tierischen Kalorie sieben pflanzliche Kalorien aufzuwenden. Dies stellt eine enorme Verschwendung von Ressourcen dar (von den durch die Tierhaltung verursachten ökologischen Schäden, zum Beispiel durch den erheblichen Methanausstoß und das Nitrat im Grundwasser, ganz zu schweigen).
Würden alle Menschen vegan leben, so könnten deutlich mehr Menschen ernährt werden als bei einer tierische Lebensmittel einschließenden Ernährung. TIMO KÜHN, Hamburg
■ betr.: „Essen ohne Schuld?“
Ethisch konsequent
Erstens ist die Einsicht, dass kein Essen ethisch einwandfrei ist, ein Totschlagargument, mit dem man jegliches Engagement zunichte machen kann. (Ein Hilfsprojekt fördern? Bringt nichts, man müsste ja viel mehr tun. Also nichts machen?)
Zweitens ist es schlicht falsch, dass der Verzehr von Soja zur Zerstörung der Umwelt in Südamerika beiträgt: Der größte Anteil aller Sojabohnen wird zur Viehfütterung eingesetzt. Isst man Fleisch, verbraucht man daher vielmehr Ressourcen, wie einfache Rechnungen zur Energie- und Umweltbilanz von Fleisch und pflanzlichen Produkten zeigen.
Drittens ist es kein bisschen widersprüchlich, statt einer Schweinefleischwurst eine Tofuwurst auf den Grill zu legen – man kann Fleisch aus ethischen oder/und Umweltgründen strikt ablehnen, aber trotzdem den Geschmack schätzen – auch wenn dieser natürlich nur mangelhaft imitiert werden kann. Da ist eben der Genussdrang gerade nicht „stärker als der Wille zum Verzicht“. Die Tofuwurst ist geschmacklich ein Kompromiss, ethisch aber konsequent. FRIEDRIKE SCHMITZ, Heidelberg