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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Und wie reagiert die Politik?

■ betr.: „Lehrer klagen: immer mehr Belastungen“ u. a., taz vom 25. 4. 12

Über den Artikel, seine Schlussfolgerungen, Fragen und den dazugehörigen Kommentar muss ich mich doch ziemlich wundern. Da wird so getan, als seien es die Lehrer, die Schüler ihrer Herkunft wegen ungerecht benoten würden. Das mag ja vereinzelt vorkommen, aber das Problem ist doch ein anderes: dass Schule grundsätzlich nicht in der Lage ist, die Leistungsunterschiede bei den Kindern auszugleichen, und zwar u. a. weil das Problem schon in der Kindergartenzeit entsteht. Kind A kann schon fast lesen, während Kind B sich noch mit dem Sprechen und Konzentrieren schwer tut.

Und wie reagiert die Politik? Da werden die Kinder mit sechs Jahren in die Schule gepresst und sollen sie nach zwölf Jahren mit Abi verlassen. Gleichzeitig werden den Lehrern bei stagnierender, wenn nicht sinkender Bezahlung immer mehr Verwaltungs- und Prüfungsaufgaben aufgedrückt, Klassenfahrten dürfen sie selbst bezahlen etc.

Für eine gute Ganztagsschule ist aber motiviertes Personal nötig. Was wir brauchen, sind mehr und besser ausgebildete und bezahlte Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen, kleinere Lerngruppen, mehr Deutschkurse, mehr Elternbildung, mehr Schulstunden und überhaupt mehr Zeit.

Auch ein Ausmisten der Lehrpläne wäre mal überfällig, das gilt auch für die Universitäten, von der Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems will ich gar nicht anfangen. Den Schwarzen Peter zwischen Eltern und Lehrpersonal hin- und herzuschieben, bringt uns jedenfalls nicht weiter.

Name und Anschrift sind der Red. bekannt

Einfach mal die Klappe halten

■ betr.: Herdprämie nur für Familien mit Geld“ u. a., taz v. 26. 4. 12

Liebe Kristina Schröder, halten Sie doch einfach mal die Klappe. Wir können Ihren Schwachsinn nämlich nicht mehr hören.

In einem Land, in dem man selbst dann keinen Krippenplatz für sein einjähriges Kind bekommt, wenn man sich drei Monate vor Geburt die Hacken dafür abgelaufen hat, sind Ihre Kommentare zum Thema in etwa so nötig wie eingewachsene Zehennägel.

In einem Land, in dem Arbeitsverträge nicht verlängert werden, wenn bekannt wird, dass die Angestellte schwanger ist, tut es schon fast weh, immer wieder zu sehen, dass Sie so gar keine Ahnung von der Realität vieler deutscher Frauen haben. In einem Land, in dem man Arbeitslosengeld I nur bekommt, wenn man einen Betreuungsplatz nachweisen kann, man in den Krippen gleichzeitig jedoch flugs auf dem letzten Listenplatz landet – man sei ja erst mal zu Hause und könne das Kind also betreuen –, brauchen wir sehr viel Dinge sehr dringend, jedoch keine Herdprämie.

In einem Land, in dem es also leider nicht reicht zu sagen „Danke, emanzipiert sind wir selber!“, weil das einfach keinen interessiert, sofern die Gesetze es weiterhin möglich machen, Frauen klein zu halten, in diesem Deutschland überlassen Sie es doch lieber anderen, schlaue Bücher zu schreiben und machen statt dessen endlich Platz für jemanden, der’s wirklich ernst mit uns meint.

Ich kenne da einige Männer, die die Interessen von Frauen, Müttern und Familien besser vertreten würden als Sie!

NINA HAAS, Mannheim

Libertäres Angebot ist keines

■ betr.: „Herdprämie nur für Familien mit Geld“, taz vom 26. 4. 12

Es stimmt schon, auf den ersten Blick wirkt das Betreuungsgeld wie ein libertäres Angebot: Wähle aus, was für deinen Lebensentwurf am besten passt, ob Kita oder Zuhause – du hast die Wahl. Aber bereits auf den zweiten Blick wird klar: Die behauptete Wahlfreiheit ist eigentlich gar keine.

Meist zwingt uns die persönliche wirtschaftliche Lage in eine Richtung, wir machen eine „Kosten-Nutzen-Rechnung“ – und ganz oft, so auch das Hauptargument der KritikerInnen, verhärten sich hierbei traditionelle Rollenbilder. Man kann also schnell feststellen, dass das libertäre Angebot tatsächlich gar keines ist.

In dem heutigen Beitrag der taz wird allerdings sehr schnell auf anderem Wege deutlich, wie wenig die schwarz-gelbe Koalition in Wahrheit an freiheitlichen Ideen und Lebensentwürfen interessiert ist. Die Anrechnung des Betreuungsgeldes auf die Hartz-IV-Leistungen verdeutlicht dies nachdrücklich. Die Koalition schließt eine ganze Gruppe einfach aus ihren sozialpolitischen „Ideen“ aus. Exklusion auf höchstem Niveau. Applaus für die Regierung! Eine weitere Zugabe für die Spaltung unserer Gesellschaft

NATALIE PAVLOVIC, Stuttgart

Das Opfer ist schuld

■ betr.: „Frisch rasiert, „Am Marterpfahl“, taz vom 24. + 25. 4. 12

Den Begriff „Sex-Unhold“ in einer taz-Überschrift zu lesen ist zum Kotzen – die Bild hatte vermutlich eine ähnliche Schlagzeile. Ariane Friedrich hat auf einen sexuellen Übergriff reagiert. Über die Persönlichkeitsrechte des Täters verbreitet ihr euch lang und breit; welche Wirkung sexuelle Übergriffe auf Betroffene haben, hat euch nicht interessiert. „Frisch rasiert“ als Überschrift suggeriert alles Mögliche – aber sicher nicht einen Bericht über einen Straftatbestand der sexuellen Nötigung.

Es ist immer das Gleiche: das Opfer ist schuld. Wieso ist es auch zum Opfer geworden?! Und dann wehrt es sich auch noch! Dass das auch in der taz so ist, ist ein Hammer. ILGA SCHMITZ, Speyer