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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Ausgewogen ausgelogen

■ betr.: „Das wirkte grauenhaft auf mich“, taz vom 28. 7. 12

So würde ich das nennen, was so „grauenhaft“ auf den stets ausgewogen formulierenden Theologen Wolfgang Huber in der taz „wirkte“. Ein Mann des Jahrgangs 1942, der schon als Schüler die Briefe und Manuskripte des Vaters ablegen durfte: des prominenten NS-Staatsrechtlers und Musterschülers von Carl Schmitt, der die Nürnberger Judengesetze mit vorbereiten half und deshalb lange mit Berufsverbot belegt worden war. Dennoch will er erst ab 1966 mit dem Vater über die „Vergangenheitsbewältigung“ gesprochen haben.

Hat er dessen Gutachten und Verherrlichungsschriften des NS-Systems so lange übersehen? Vielleicht auch die „Erinnerung an die Straßburger Jahre“, die sein Vater Anfang 1945 verfasst hatte? Traf der junge Theologiestudent nicht in Göttingen auf jene Kollegen des Vaters aus den gemeinsamen Kieler, Leipziger und Straßburger Jahren, die als Belastete in der Alma Mater der Georgia Augusta bald nach 1945 wieder einflussreich tätig werden durften, von den Juristen Schaffstein, Wieacker und Werner Weber bis zu den Historikern Hermann Heimpel oder Alfred Heuß. Und hat er als Theologe nichts von dem Streit um die Kirchenführer mitbekommen, die mit Paul Althaus den Aufstieg Hitlers als ein Geschenk Gottes begrüßten? In Göttingen die Kathederfürsten Emanuel Hirsch, Walter Birnbaum oder Friedrich Gogarten und der junge Otto Weber.

Spätestens seit September 1965, und nicht, wie Huber meint, seit 1968, war das ein Thema in Göttingen, weil u. a. im Politikon, der Göttinger Studentenzeitschrift für Niedersachsen, eine umfangreiche Sondernummer über die „Georgia-Augusta-Universität im Dritten Reich“ erschienen war. Vielleicht saß Wolfgang Huber damals mit mir in den Seminaren von Rudolf Smend, Hermann Wein, Reinhard Wittram, Hermann Heimpel oder Carsten Colpe, wo wir mit Georg Iggers ernsthaft über dieses Thema stritten.

Schon 1962 entbrannte im Kreis um den späteren Kultusminister Peter von Oertzen ein Streit darüber, ob die Hochschule für Sozialwissenschaften Teil der Georgia Augusta werden sollte. Denn diese nach 1945 von dem Widerstandskämpfer und Kultusminister Adolf Grimme und den Gewerkschaften gegründete „Reform-Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft“ zeichnete sich – ebenso wie in Hamburg die HWP – dadurch aus, dass ausgerechnet hier so viele der nach 1945 als Nazis vom Berufsverbot betroffenen Hochschullehrer unterkommen konnten, von Walter Bogs, Graf Solms, Huber oder Helmut Schelsky. Was viele von ihnen freilich auszeichnete, war, dass sie als „Geläuterte“ teilweise unsere besten Hochschullehrer wurden. Auch und gerade Nichtjuristen gingen zum Beispiel in Göttingen in die Vorlesungen von Ernst Rudolf Huber, weil er hier Ergebnisse seines zwischen 1957 und 1990 veröffentlichten Standardwerkes „Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789“ eindrucksvoll und souverän vortrug. JÖRG WOLLENBERG, Bremen

An die Arbeit!

■ betr.: „Herr Molau möchte aussteigen“, taz vom 31. 7. 12

Zunächst einmal ist der Ausstiegsplan Molaus lobenswert, denn jeder Mensch hat das Recht, auch schwerste Fehler zu korrigieren; andernfalls würde man ihm ja sein Menschsein absprechen. Man kann ihm auch gerne Gutes dazu wünschen. Wir wissen nicht, wie vielen Menschen er durch seine 28-jährige Tätigkeit direkt geschadet hat, indem diese zu Nazis wurden. Da kann er wohl einiges gutmachen, er wird ja noch Verbindungen haben. An die Arbeit!

Molau möchte seine Vergangenheit in Etappen aufarbeiten; hier ein Tipp dazu: Herr Molau, fangen Sie an mit ihrer gedruckten Staatsexamensarbeit über Alfred Rosenberg, die Ihnen den Einstieg in jenen Lehrerberuf ermöglichte, in dem Sie Tausenden von jungen Menschen begegnet sind. In dieser Arbeit vergaßen Sie alle Fundstellen, in denen Rosenberg auf sein geplantes (und später umgesetztes) Mordprogramm im Osten unverblümt hinweist, obwohl Sie andere Stellen, unmittelbar daneben, ausführlich zitieren.

Und nun zur Rolle des Landes Niedersachsen: Staatsexamen sind, wie der Name sagt, unmittelbar staatliche Aufgaben. Ihre bisher unbekannten Prüfer, die Sie im Buch leider nicht nennen, sind von Landesbehörden in dieses Amt berufen. Diese Leute haben Ihnen die Auslassungen und offensichtlichen Manipulationen zumindest durchgehen lassen, Absicht lässt sich nachträglich immer schwer beweisen. Kann man sich wirklich irgendeinen deutschen Professor oder A-16-Schulfunktionär, egal welchen Fachs, vorstellen, der nicht weiß, wer Alfred Rosenberg, der Chefideologe des Nationalsozialismus, gewesen ist? Nun, diese Leute sind vielleicht Emeriti mit prächtiger Pension, vielleicht noch netzwerkend im Amt; sprechen Sie doch mal mit denen, die Ihnen die Grundlage für mindestens zehn Jahre Schuldienst als Nationalsozialist geboten haben. Geben Sie deren Namen endlich bekannt und lassen Sie uns gucken, wen die im Lauf ihrer langen Berufsausübung noch so zum Lehrer, zur Lehrerin gemacht haben. Das wäre in meinen Augen eine kleine Etappe auf dem Weg, auf dem Sie sich laut Ihrer Aussage von Ihrem bisherigen Denken trennen wollen. REINHARD FINCK, Moers

Schlimme Tierquälerei

■ betr.: „Zwangsmast für den Gourmet“, taz vom 26. 7. 12

Vielen Dank für Ihren Bericht und Ihre Stellungnahme zu einer der schlimmsten Tierquälereien in der menschlichen Zivilisation. Politiker wie diesen französischen Landwirtschaftsminister gibt es überall. Und niemand, der daran verdient, wird freiwillig etwas ändern. Nur der Verzicht auf Qualnahrung und Information und weltweite Proteste können diesen Sadismus beenden! Deshalb bringen Sie bitte weiterhin solche Berichte und, liebe Leser: Bitte tun Sie etwas und legen erst danach die Zeitung weg! HEIDRUN BÖHM, Berlin