LESERINNENBRIEFE :
Gepfefferter Kommentar fehlt
■ betr.: „DAX-Konzerne: Länder wollen Frauenquote“ u. a., taz vom 22. 9. 12
Was ist das für ein Theater von Politik und Medien um die Frauenquote in den Aufsichtsräten der größten deutschen Unternehmen! Dabei geht es doch gerade mal um ca. 100 oder allerhöchstens 150 Frauen! Ich bin ja nicht gegen die Gleichberechtigung von Frauen in allen Bereichen, also auch in der Wirtschaft, aber dann sollte doch erst einmal die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit durchgesetzt werden. Davon würden Hunderttausende Frauen, die heute noch ca. 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen, profitieren, und ein solcher Schritt würde gleichzeitig die Altersarmut von Frauen vermindern.
Ich glaube nicht, dass die Anwesenheit von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen der DAX-Unternehmen einen Fortschritt in diese Richtung bedeutet – sie werden dieselbe Unternehmenspolitik wie ihre männlichen Kollegen machen.
Ich finde es sehr enttäuschend, dass sich sowohl SPD wie Grüne an diesem Theater beteiligen und dass Anja Maier nichts anderes dazu einfällt, als über die Koalitionsspielchen zu jammern, statt einen gepfefferten Kommentar zu dem Fiasko des Entwurfs für einen gesetzlichen Mindestlohn zu verfassen, der in derselben Sitzung vom Bundesrat abgelehnt wurde. EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln
Prekariat ignoriert
■ betr.: „Immer Ärger mit den Armen“, taz vom 19. 9. 12
„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen“ (Marie Antoinette). Die Ignoranz gegenüber dem Prekariat kann im schlimmsten Fall tödliche Folgen für die Halsmuskulatur haben.
CHRISTOPH KROLZIG, Moos
Katastrophe made in Germany?
■ betr.: „Stockton ist überall“ u.a., taz vom 22. 9. 12
Yes, Sir! Stockton ist tatsächlich überall! Das ist zweifellos in erster Linie systembedingt. Da lässt der Zins grüßen. Wenn aber noch Lehman Brothers dazukommt, wird es schnell brandgefährlich. In den USA wird die Schuldengrenze immer locker erhöht. 15 Billionen, 16 Billionen usw. Mit all diesen Nullen soll man auch noch leben und arbeiten. Die andere Seite der Medaille zeigt überdeutlich der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Kommt man an die weltweit verstreuten Milliarden heran? Kaum.
Da hilft wahrscheinlich zeitnah eine deftige Progression noch am ehesten. Aber ist das bei uns angesichts der Macht- und Lobbyverhältnisse überhaupt realisierbar? „Weiter so“ führt glasklar in die Katastrophe. Made in Germany? KLAUS G. WALTHER, Reinbek
Eine zutiefst antisoziale Politik
■ betr.: „Stockton ist überall“, taz vom 22. 9. 12
Pascal Beucker konstatiert in seinem Kommentar, dass die deutschen Kommunen ausbluten, „nicht zuletzt verursacht durch die Steuersenkungsideologie, die das Regierungshandeln der letzten 15 Jahre bestimmt hat“, und er appelliert (an wen eigentlich?): „Mittels Vermögensteuer und Vermögensabgabe müssen die Reichen zur Kasse gebeten werden“. So weit, so richtig.
Wer aber soll für eine solche Zielsetzung stehen? CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne können nicht gemeint sein, denn sie sind es doch, die „das Regierungshandeln der letzten 15 Jahre bestimmt“ haben! Und eigentlich müsste Beucker nun einräumen, dass es nur eine Partei gibt, die im Sinne seiner Argumentation für eine vernünftige Politik eintritt, und das ist die Linke. An dieser Stelle aber kneift Beucker wie fast alle derzeitigen taz-Kommentatoren. Stattdessen wird Die Linke in der taz systematisch bekämpft (Ausnahme: wenn es um Katja Kipping geht).
Ich kann mir für diese Inkonsequenz nur einen Grund denken: Die taz hat inzwischen kaum mehr etwas von einem linken Projekt und tritt stattdessen offen antikommunistisch, antisozialistisch, auch antidemokratisch auf. Und es ist immer das gleiche Strickmuster: Die ökonomischen und politischen Zusammenhänge werden nicht, wie in anderen Presseorganen, geleugnet, sondern durchaus zutreffend beschrieben und auch analysiert. So wird zum Beispiel richtigerweise auf die stets wachsende Kluft zwischen Reich und Arm in Deutschland hingewiesen, aber Gerhard Schröder, der in seiner Regierungszeit mächtig an der Arm-reich-Spirale gedreht hat, darf unwidersprochen die „Agenda 2010“ als große Errungenschaft feiern. Und so macht sich die taz ohne Not zum Handlanger einer zutiefst antisozialen Politik. VOLKER TÖBEL, Dortmund
Männer im Vordergrund
■ betr.: „Wer wird Meister der Bürger in Stuttgart?“, taz v. 22. 9. 12
Wieder mal typisch: Die Männer drängen sich in den Vordergrund, die einzige Kandidatin wird von einem Mann in den Hintergrund geschoben, ins Aus gedrängt. Nicht mal die Anwesenheit der Chefredakteurin hat eine anständige Bildauswahl ermöglicht. Sage keiner, der Fotograf habe nur ein Bild geschossen …
Da könnt ihr tausendmal euer großes Binnen-I verwenden für die sieben KandidatInnen und die StuttgarterInnen und so tun, als würdet ihr für eine Frauenquote kämpfen – die Bildauswahl war absoluter Murks und kontraproduktiv!
Auch die Überschrift ist ein Hohn!
MARLIES BEITZ, Stuttgart