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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine Sekunde Irrsinn

■ betr.: „Unzureichendes Tempolimit beim Zocken“, taz vom 18. 1. 13

Bis zum 19. Jahrhundert haben die Kirchen den Menschen vorgeschrieben, wie sie zu leben hätten, weil sie angeblich im Besitz höherer Weisheit waren. Diese Rolle übernehmen in unserem Jahrhundert die sogenannten Wirtschaftswissenschaften und deren Gurus. Wer immer noch glaubt, dass es sich dabei um Wissenschaft handelt und nicht um eine Glaubensideologie, möge sich die Lösungsideen zum Hochfrequenzhandel mit angeblichen Finanzprodukten auf der Zunge zergehen lassen.

Wir reden hier vom Handelsgeschäften im Bereich von Millisekunden (!), bei dem hunderte Millionen Euro verschoben werden – und alles, was sogar einem alternativen Wirtschaftsprofessor wie Rudolf Hickel dazu einfällt, ist, eine Wartezeit von 0,5 Sekunden vorzuschlagen, dann wäre alles gut.

Nichts ist gut bei solchen Geschäften, die mit Rationalität gar nichts zu tun haben, aber ganze reale Wirtschaftsbereiche in den Ruin schicken können. Die einzige Triebfeder für diesen Irrsinn ist Gier nach Geld und nach noch mehr Geld. Und auch nur da kann man ansetzen, um es zu beenden. Diese Art von Geschäften muss mit Steuern und Abgaben so unattraktiv werden, dass die endlich aufhören. Gewinne im Spielkasino sind steuerfrei – und das mögen sie bleiben, aber nur dort. UWE BARKOW, Frankfurt am Main

Geheim gehalten

■ betr.: „Öffentlich-Private Partnerschaften. Die Zustimmung bröckelt“, taz vom 16. 1. 13

Vielleicht ist die Zeit allmählich reif, die Öffentlich-Privaten Partnerschaften doch wieder infrage zu stellen. Jede Einrichtung solcher Projekte, wie auch aller Privatisierungen, bedeutet ja, das öffentliche Verfügungsrecht über das Gemeinschaftseigentum einzuschränken beziehungsweise abzugeben. Und bei jedem dieser Projekte besteht die Gefahr, dass die Regierungen sie aufgrund persönlicher oder parteiegoistischer Motive beschließen, die Wirkung wegen geschlossener Verträge aber weit über die Legislaturperiode der Entscheidenden hinausreicht. Es sind Verträge mit öffentlichen Organen, aber ihr Inhalt wird vor der Öffentlichkeit geheimgehalten!

ÖPP und Privatisierungen gehören zu der Entwicklung, dass Regierungen und ihre Parteien es willentlich geschehen ließen, dass der Volksvertretung die Mittel fehlen, öffentliche Zuständigkeiten für Aufgaben der sogenannten Daseinsfürsorge in eigener Verfügung zu behalten und dass sie dann sich auf die Mitverfügung der privatwirtschaftlichen Seite einlassen, bei der das Geld sich ansammeln konnte, weil der Staat es nicht über Steuern abschöpfen wollte.

Der Staat dürfte aber aus Gründen der Demokratie, also der Souveränität des Volkes, den Anspruch nicht aufgeben, für Interessen und Eigentum der Gesamtheit der einzig befugte und bessere Treuhänder zu sein. Dieser Anspruch müsste Grundgesetzrang haben, und entsprechend ist zu fordern, dass er mit denselben Mehrheitsanforderungen zu schützen ist wie das Grundgesetz. Das hieße, dass Entscheidungen über ÖPP und Privatisierungen erstens parlamentspflichtig würden und zweitens nur mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen werden dürften. Sie müssten also wegen übergeordneter Gesichtspunkte aus der Budgethoheit der Parlamente, für die ja die einfache Mehrheit genügt, herausgenommen werden.

HELLMUT VOGEL, Kiel

An Mautgebühren interessiert

■ betr.: „Öffentlich-Private Partnerschaften. Die Zustimmung bröckelt“, taz vom 16. 1. 13

Die Politiker hätten schon viel früher über die Risiken dieser „Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ Bescheid wissen müssen, vor allem bei diesen Straßenbauprojekten.

Wenn nur auf die angeblichen Kosteneinsparungen geschaut wird, dann muss mit erheblichen „Kollateralschäden“ gerechnet werden, vulgo: Verkehrsunfällen. Da die Baufirmen besonders am Aufkommen der Mautgebühren interessiert sind, sollen auch während der Bauzeit möglichst viele Lastwagen auf der Straße fahren, die sonst – beim staatlichen Bauherrn – umgeleitet würden. Dies, in Verbindung mit zu schmalen Fahrspuren, führt dann zu vermehrten Unfällen. Dass die A1 bereits einige Monate früher fertig wurde, ist vermutlich auch auf Pfusch zurückzuführen, da der Asphalt bereits kurz nach Fertigstellung wegbröckelte. Dabei verkündete die ausführende Firma Bilfinger-Berger, das Geschäftsergebnis weiter zu maximieren. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

In der Sprache nicht angekommen

■ betr.: „Das tut sehr, sehr weh“ (Gerald Asamoah), taz vom 17. 1. 13

Zufällig kam ich in eine Kneipe, in der eines der ersten Länderspiele mit Gerald Asamoah lief. Asamoah stürmte vor auf das gegnerische Tor und umspielte geschickt den Gegner. Das Volk in der Kneipe fing, in Erwartung eines Tores vor Begeisterung an zu schreien und stand auf. Gerald scheiterte letztendlich doch an der Überzahl der Verteidiger und das Volk setzte sich stöhnend wieder hin.

Ein älterer Herr war stehen geblieben und meinte mit ernst gemeintem Stolz und Pathos: „Unser Bundesneger“. So war Gerald zwar bei ihm im Herzen angekommen, aber in der Sprache nicht. Deswegen finde ich das Durchforsten von alten Kinderbüchern und die Korrektur der Sprache wichtig, dass Gerald Asamoah bei dem alten Herrn und anderen auch in der Sprache ankommt.

CHRISTOPH KROLZIG, Moos