LESERINNENBRIEFE :
Warum ist das Utopie?
■ betr.: „Haiti liegt in Trümmern“, taz vom 14. 1. 10
Haiti liegt in Trümmern. Innerhalb eines Tages ist die Weltgemeinschaft vor Ort mit Flugzeugträgern, Helikoptern und Hospitalschiffen, um zu helfen, so gut es geht. Die Industrienationen haben ihr Katastrophenhilfsnetz in jahrelanger Arbeit und zahlreichen Übungseinsätzen rund um den Globus optimiert. Diesmal haben die USA das Rennen um die schnellste Präsenz gewonnen, was das Recht zur Ausrichtung der nächsten Fußballweltmeisterschaft garantiert. Wirtschaftshilfen bis zum vollständigen Wiederaufbau sind gleichfalls eingeplant und schnellstens mobilisiert. Warum ist das Utopie?
Technisch ist es längt kein Problem mehr, ebenso wie die Rettung des Klimas samt weltweiter Umstellung auf regenerative Energien innerhalb 20 Jahren (die dann schon in zehn Jahren die konventionellen auch wirtschaftlich ausstechen, siehe Spektrum der Wissenschaft 12/2009: „Emissionsfreie Welt bis 2030“). Alles „nur“ (politische) Willensentscheidung. Die Welt wird die Bemühungen der reicheren Staaten um Frieden und Gerechtigkeit anerkennen, der Terror wäre besiegt, die Mittel wären viel sinnvoller angelegt als in Hochrüstung, Krieg und Säen weiterer Zwietracht.
GERHARD RUDOLF, Bad Homburg
Sache des Volkes
■ betr.: „Danke, dass Sie Anstoß erregt haben“, taz vom 14. 1. 10
Lobenswert, dass Sie Frau Käßmann und Herrn Nachtwei die Möglichkeit geben, ihre Positionen darzulegen. Die Politik der Bundesrepublik sollte immer „Sache des Volkes“ bleiben. Deshalb scheint es wichtiger, gesellschaftlich relevante Vertreter zu Wort kommen zu lassen, als die Verlautbarungen von Politikern zu veröffentlichen, die gewählt wurden, damit sie die Rahmenbedingungen schaffen und den Willen der Wähler umsetzen.
NORBERT VOSS, Berlin
Moral
■ betr.: „Ist Käßmanns Kritik am Afghanistankrieg mutig?“, taz v. 9. 1. 10
Ich bin froh, dass Moral zu klaren politischen Aussagen bei Frau Käßmann führt. „Du sollst nicht töten“ ist unser wichtigstes moralisches Verbot, es sind dafür in der Bibel keine Einschränkungen vorgegeben. Erst recht gilt das, wenn man Menschen als Soldaten dahin schickt, wo es ums Töten geht. Wer denn sonst als die Kirchen soll diese Position vertreten? Moral wird von allen in der Politik und im Business sowieso „billig“ gemacht.
ALBRECHT KNAPS, Wolpertswende
Vergötzung
■ betr.: „Pflugscharen zu Schwertern“, taz vom 15. 1. 10
Wann ist zu rechtfertigen, was in Afghanistan geschieht? Dann, wenn es den ethischen, politischen und völkerrechtlichen Maßstäben entspricht, die für einen solchen Einsatz gelten müssen. Oder, theologisch gesprochen, zumindest den Kriterien, die traditionell in der Lehre vom gerechten Krieg aufgestellt sind. Nach Thomas von Aquin bedarf die Kriegführung so a) einer legitimen Autorität, b) eines gerechten Grundes, c) einer guten Absicht, d) des Maßhaltens bei Anwendung von Gewalt, e) muss ein Krieg unvermeidlich sein und f) eine realistische Aussicht auf Erfolg bestehen und die erfolgreiche Beendigung des Kriegs von Anbeginn im Blick sein. Gerade unter e) – Maßhalten bei Gewalt – und f) – Aussicht auf Erfolg und Ende des Kriegs – ist der Afghanistaneinsatz kritisch zu hinterfragen. Richard Schröders billige theologische Polemik – der Glaube an die Allmacht der Gewaltlosigkeit sei ein Aberglaube – macht es allzu leicht, Kritiker in die Gesinnungsethikecke zu stellen. Allmacht ist ein Attribut für Gott. Und Vergötzung von Gewaltlosigkeit führt nicht weiter. Vergötzung von Gewalt allerdings auch nicht.
SEBASTIAN KRANICH, Halle
Hämischer Unterton
■ betr.: „Pflugscharen zu Schwertern“, taz vom 15. 1. 10
wenn sich seit einiger zeit der kriegseinsatz nicht mehr als humanitärer oder polizeieinsatz kaschieren lässt und endlich auch jemand aus den reihen der kirche kritik übt und den finger in die wunde legt – wie lange mussten wir darauf warten, dass mal klare worte gesprochen wurden? –, dann prasseln natürlich die schläge auf ihn/sie ein. wahrscheinlich ein ausdruck des eigenen schlechten gewissens.
typisch ist, dass meist keine auseinandersetzung in der sache erfolgt, sondern totschlagargumente kommen, wie frau käßmann vertrete die position der linken. wenigstens diese infame argumentation habe ich bei ihnen nicht gelesen. (Welch ein Glück.)
mich stört der hämische unterton in ihrem kommentar (ihren kommentaren). margot käßmann macht es sich eben gerade nicht so einfach.
in einem stimme ich ihnen voll zu: „Es dürfte wirklich interessant sein, was Käßmann den deutschen Soldaten bei ihrer geplanten Predigt in Afghanistan sagen will.“ da können wir hoffentlich drauf gespannt sein.
WOLFRAM ROGER, Bremen