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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine SPD-Feier für die Elite

■ betr.: „Stolz und zufrieden feiern“, taz vom 23. 5. 13

Im Prinzip ist es schockierend, wie sehr die SPD gehasst wird. Aber sie ist auch selber schuld. Diese Feier war eine Feier für die Elite, fein säuberlich geplant und medial inszeniert – es war nicht die Feier der Mitglieder oder Anhänger. Tatsächlich hätte dieser Geburtstag mehr intellektuelles Niveau und mehr Kontakt mit anderen linken Parteien und Gruppen ermöglicht, denn auch die Linke, ja sogar mit etwas Ableitung die Piraten können sich auf dieses Jahr 1863 beziehen. Aber die SPD braucht Wähler, Spender und Mitglieder, also feiern sie sich alleine und damit verschenken sie die Möglichkeit zum Dialog.

Wenn die SPD nicht versteht, dass der Durchschnittsmensch der Wähler ist, dann wird sie weiter verlieren und sich dabei, so wie diesmal, auch noch nachdrücklich feiern. André, taz.de

Verlorene Wurzeln

■ betr.: „Stolz und zufrieden feiern“, taz vom 23. 5. 13

Es gab eine Zeit, da gab es ein sozialdemokratisches Projekt, es ging in vielen Länder, ob es Portugal nach der Diktatur, Argentinien nach der Diktatur oder die Türkei vor dem Putsch 1980 war – heute lässt sich eine Struktur dafür nicht mehr erkennen. Die SPD von heute hat nichts mehr mit dem Arbeiterverein von 1863 zu tun. Sie hat genauso ihre Wurzeln verloren wie heutige Bauarbeiter mit den Erbauern der großen Kathedralen und ihren Geheimbünden, den Freimaurerlogen – auch diese Verbindung ist heute Geschichte und Teil einer Folklore. Dass die SPD sich so feiern kann, verdankt sie auch ihrer Medienholding, die viel Einfluss für die Partei bringt. Das Problem ist nur, dass die SPD keine harten Kern mehr hat. Hafize, taz.de

Agenda 2020

■ betr.: „Stolz und zufrieden feiern“, taz vom 23. 5. 13

Aus der Historie der SPD mögen sich alle möglichen Erfolge und Verdienste ergeben. Bedeutsamer für mich als Wähler ist allerdings deren gegenwärtiger Zustand und die Aussichten, was diese Partei zukünftig tut. Und da sehe ich einfach, dass die Partei sich von dem Begriff sozialistisch abkehrt und nunmehr lieber „progressiv“ ist. Was bei einer Führungstroika der Hartz-IV-Befürworter progressiv ist, scheint dann naheliegend. Mit dieser SPD ist die von Altkanzler Schröder und Steinmeier schon öffentlich geforderte Agenda 2020 mit einer SPD-geführten Gewerkschaft im Rücken zu machen. Noch nicht einmal ein Lippenbekenntnis gegen diese bereits von einigen proklamierte Agenda 2020 kommt. Celsius, taz.de

Solidarität mit den Unterdrückten

■ betr.: „Aus Frust wird Gewalt“, taz vom 22. 5. 13

wir sehen alle paar wochen in den medien, dass es irgendwo auf der welt unruhen gibt; straßenschlachten, randale oder sogar bewaffneten widerstand. überall auf der welt sind es vor allem jugendliche und junge erwachsene aus den unteren klassen (arbeiterfamilien, migranten, arbeitslose), die ihrem unmut luft machen. dazu gibt es ja auch jede menge gründe. ob es nun in england (2010), in frankreich (2009), in griechenland (ständig) oder in den arabischen ländern brennt – die gründe sind meistens diskriminierung, arbeitslosigkeit und armut. dabei tut es nichts zur sache, ob die betroffenen gläubig oder atheistisch sind. die wut ist natürliche folge der kapitalistischen ausbeutung: die armen werden ärmer, die reichen werden reicher. auch in schweden, wie im artikel steht, wurde wie in deutschland der spitzensteuersatz ständig gesenkt, während man am sozial- und bildungswesen gespart hat. ich sage: solidarität mit den unterdrückten, mit den armen und schwachen dieser welt. für den kampf gegen die herrschende klasse und die weltweite diktatur des kapitals! matz, taz.de

Grüne Bälle für die Basis

■ betr.: „Wählt den Laubfrosch“, taz vom 24. 5. 13

So einfach ist Demokratie heute bei den Grünen: Man muss sich nicht mehr die Mühe machen, Argumente zu entwickeln. Es reicht, seine Sympathien per Twitter zu verbreiten. Kaum kritisiert Ulrich Schulte in der taz, der grüne Mitgliederentscheid sei ein Spektakel, bei dem der Laubfrosch sowieso keine Chance hätte, stellen sich „gewiefte Medienprofis“ wie Katrin Göring-Eckardt per Twitter demonstrativ hinter den Laubfrosch. Laubfrosch for Topmodel! Hätte Ulrich Schulte das Beispiel „menschenwürdige Existenz sichern – ALG II erhöhen“ gebracht, hätte sich sicher eine prominente Grüne mit einem Arbeitslosen fotografieren lassen.

Das zeigt, dass die taz recht hatte: Der grüne Mitgliederentscheid ist ein sinnloses Spektakel. Seine Bedeutung liegt darin, die faktisch entmachtete Basis ruhig zu stellen und Basisdemokratie zumindest vorzuspiegeln; jede Kritik an der Parteispitze wird durch den Streit der verschiedenen Fachpolitiker, die jeweils um ihr Thema fürchten, übertüncht. Weiter wird ein Riesenmedientheater inszeniert, um möglichst viel grünes Programm und viele grüne Gesichter in die Medien und in die Köpfe der Wahlkämpfer zu spülen.

Das Ganze wäre dennoch durchaus als politisch klug zu loben, wenn das Programm selbst wirklich demokratisch zustande gekommen wäre. Aber auf der grünen Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin wurden echte Debatten mal wieder verhindert; stattdessen durfte die Basis mit vielen grünen Bällen spielen, die auch alle schon fertig waren (wie „Finalshirts“ vor dem Finaleinzug), bevor die BDK das Programm quasi einstimmig abgenickt hatte. MICHAH WEISSINGER, Essen