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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Leopardpanzer zu Kirchenglocken

■ betr.: Neue Briefmarke zur Würdigung der Bundeswehr

Seit gestern ist an deutschen Postschaltern eine 58-Cent-Briefmarke zu kaufen mit dem Aufdruck „Bundeswehr. Im Einsatz für Deutschland“. Sie zeigt großflächig ein grünbuntes Gewimmel von Soldaten im Tarnanzug unter der Deutschlandflagge. Im philatelistischen Begleittext wird darauf verwiesen, dass die Bundeswehr ja keine Verteidigungsaufgaben mehr zu erfüllen habe und ihr daher mit weltweiten Einsätzen eine neue Aufgabe zufalle. Horst Köhler hat das seinerzeit genauer gefasst: die Bundeswehr habe die Interessen der deutschen Aktionäre weltweit zu sichern. Diplomatie ist out, militärisches Eingreifen in. Was historisch noch Kanonenbootpolitik hieß, heißt jetzt schlicht Neuorientierung der Bundeswehr. De Maizière will das neuerliche kriegerische Prozedere mit Drohnen vereinfachen: gezielte Tötungen ohne Rücksicht auf Völkerrecht oder heimische Justiz, wie es ja schon seit Längerem von unseren Bündnispartnern im Nahen und Mittleren Osten praktiziert wird.

„Diplomat“ Westerwelle hat die Diplomatie auf lächerliche Warnungen geschrumpft, die er fortwährend ausspricht: So warnte er die Ägypter, über’s revolutionäre Ziel hinauszuschießen, oder Assad vor dem Blutvergießen. Demnächst wird er die Saudis davor warnen, allzu heftig mit ihren deutschen Leopardpanzern über aufbegehrende Demokratiefreunde wegzurollen. Dass alle Parteien, mit Ausnahme der Linken, diese versteckte Kriegstreiberei mitmachen, ist ohne Beispiel in der demokratischen Geschichte Deutschlands.

Ich wünsche mir, dass diese verräterische grüne Briefmarke fleißig gekauft, aber mit den richtigen Kommentaren auf den Briefen ergänzt wird, wie: Frieden schaffen ohne Waffen! Schwerter zu Pflugscharen! Leopardpanzer zu Kirchenglocken! Miteinander reden, nicht gleich töten! FRITZ PHILIPP MATHES, Pforzheim

„Voller Gebärden des Rechts“

■ betr.: „NSU-Anwälte beantragen Einstellung“, taz vom 5. 6. 13

Den Anwälten Heer, Stahl und Sturm möchte man mit Arno Schmidt entgegnen: „Daß dies feile Pack : für Geld sogleich komödiantisch wortreich; gegen Bezahlung voller Gebärden des Rechts; aus Berufsinteresse Schürer und Anstifter aller Händel : auch Mörder, Ilse Koch, Generale, Diebe, geizige alte Weiber finden ja stehts noch ihre >Rechts>anwälte! […] also daß dies Pack weg ist, versöhnt mich wieder mit der großen Katastrophe […].“ Die Katastrophe, die Arno Schmidt in „Schwarze Spiegel“ beschreibt, ist ein verheerender Atomkrieg. Der Protagonist – vermeintlich der einzige Überlebende – irrt durch menschenleere Landschaften und Städte und vermag der Situation so manches Positive abzugewinnen.

HARALD PISCHEL, Kraichtal

Welche Rollte spielte der Staat?

■ betr.: „NSU-Anwälte beantragen Einstellung“, taz vom 5. 6. 13

Letztendlich entbehrt der Antrag nicht jeder Grundlage, denn es ist wahr: Teile der rein theoretisch verfügbaren Akten und der darin enthaltenen Informationen, im Speziellen Informationen über die Beteiligung von Nachrichtendiensten sowie polizeilichen Informanten und Akteuren, wurden vernichtet und sind damit für eine allumfassende Aufklärung nicht mehr zu betrachten. Deswegen wird in diesem Prozess auch am Ende nicht geklärt sein: Wie und an welchen Stellen nahm und nimmt der Staat und die Regierung Einfluss auf die (radikal) politischen Kräfte in Deutschland? Steve, taz.de

Floskeln der Dinosaurierlobby

■ betr.: „Wir setzen die Energiewende um“, taz vom 5. 6. 13

Es müssen zwei Dinge unterschieden werden: Atomausstieg und Energiewende. Der Atomausstieg ist zur Hälfte erledigt, und kein Birnchen hat geflackert. Warum? Weil wir enorme Kraftwerksüberkapazitäten haben. Einem Spitzenverbrauch von nicht mal 80 GW stehen Kraftwerkskapazitäten von 120 GW gegenüber, und da sind die erneuerbaren Energien (weitere mindestens 50 GW) noch gar nicht mitgerechnet. Das heißt, wir haben in Deutschland über 50 Prozent Reserven und auch die Abschaltung der restlichen AKW wäre kurzfristig möglich, ohne irgendwelche Dinosaurier-Kraftwerke als Ersatz zu bauen.

Unter Energiewende verstehe ich immer noch den Wechsel von den fossilen zu den erneuerbaren Energien. Und dieser Wechsel wird systematisch ausgebremst. Röslers Wirtschaftsministerium ist nicht viel mehr als der verlängerte Arm der 4 großen Energiekonzerne. Die regelmäßigen Energiegipfel finden bekanntermaßen bei der Kanzlerin statt, denn den „Großen 4“ ist es egal, wer unter ihnen Wirtschafts- oder Umweltminister ist. Das Ausbremsen der Energiewende war der Preis für den Ausstieg aus der Kernenergie. Das Einzige, was noch namhaft gefördert wird, ist der Ausbau von Offshore-Windenergie, denn da wird viel Kapital gebraucht und da mischen die 4 kräftig mit. Alles andere – vor allem Photovoltaik und Binnen-Wind, bei denen die Privatleute die Energiezukunft selber in die Hand nehmen – wird erschwert, vom Zurückfahren der finanziellen Unterstützung bis hin zu gesetzgeberischen Hindernissen bei der Ausgestaltung der Betreibergesellschaften.

Altmeier macht einen auf lieb, tourt durch die Talkshows, trinkt Bier mit Journalisten, blinkt links und biegt aber rechts ab. Vermutlich ist er nur noch Staffage, die wahre Energiepolitik wird hinter den Kulissen gemacht. Und solche Leute wie Michael Vassiliadis, der Chef der IG BAU, lassen sich willig vor den Karren der Energiewirtschaft spannen und plappern die Floskeln der Dinosaurierlobby nach.

JÜRGEN PRITZEL, Herrischried