LESERINNENBRIEFE :
Schwarze Pädagogik
■ betr.: „Das Heim muss man zumachen“, taz vom 29. 7. 13
Der Artikel ist durchaus aufschlussreich. Nur vermittelt er den Eindruck, dass schwarze Pädagogik allein das „Privileg“ der Nazizeit und der DDR war. Als Fördermitglied des Vereins ehemaliger Heimkinder habe ich andere Informationen, ich verweise gern auf das Buch „Schläge im Namen des Herrn“ von Peter Wensierski. In kirchlichen Einrichtungen Deutschlands wurden bis in die 70er-Jahre hinein Kinder von Mönchen und Nonnen, Diakonen und Diakonissen wie Sklaven gehalten, ausgebeutet, gefoltert und oft auch sexuell missbraucht (weil es in der Bibel steht, darf man Kinder schlagen). Damit erhält diese Art der Pädagogik eine Art von Allmachtscharakter.
Die „Pädagogik“ der Haasenburg GmbH zeigt, wie wenig aus dieser Geschichte gelernt wurde, vielleicht auch, weil man dem Schicksal der ehemaligen Heimkinder so wenig Beachtung schenkt und ihre Geschichte am liebsten vergessen würde.
Mit „Zumachen“ allein ist es nicht getan; es müssten sich grundsätzliche Dinge ändern, auch im Denken. Damit meine ich, dass es ein Unterschied ist, ob Menschen für gute und sinnvolle Arbeit entsprechend wertgeschätzt und auch bezahlt werden – oder ob sowohl die Angestellten als auch die Patienten dazu benutzt werden, Gewinn abzuwerfen.
„Zumachen“ kann jeder sagen, dazu bedarf es keiner Supervision, wenn sich nichts Grundsätzliches ändert, wird dann ein ähnliches Heim woanders aufgemacht. Von einer Expertin erwarte ich da deutlich mehr als diese Aussage. Dennoch halte ich die Anregungen im Artikel für sinnvoll und finde, diese Themen immer und immer wieder anzusprechen, ist ein Anfang, dem Taten folgen sollten.
RAMONA HEY, Bad Kreuznach
Bitte verschont uns
■ betr.: „Kein Englisch? Dann hat die Kita keine Chance“, taz vom 30. 7. 13
Bitte verschont uns mit weiteren Beiträgen über private Kinderbetreuungseinrichtungen.Es kann sich sowieso nur ein kleiner Teil der Familien eine Kinderbetreuung leisten, die für ein Kind 500 Euro aufwärts kostet. Meine Erfahrung ist, dass diverse private Kinderbetreuungseinrichtungen in erster Linie an Profitmaximierung interessiert sind und dafür auch Kompromisse bei der Qualifikation der Betreuerinnen eingehen. Die pädagogischen Hilfskräfte werden dann oftmals zu üblen Bedingungen eingestellt. Eine Vergütung von 800 Euro netto für eine Vollzeitstelle ist zum Beispiel in München keine Seltenheit.
Viel interessanter wäre doch mal ein Blick über die Anstrengungen der Kommunen. Wie können sie diese Herausforderungen stemmen und wie sind die Qualitätsstandards in verschiedenen Regionen (weg vom Fokus Berlin). Die städtischen Kinderkrippen in München sind zum Beispiel sehr gut ausgestattet und leisten eine anspruchsvolle Arbeit. Ein anderer interessanter Aspekt könnte die Entwicklungsperspektive der Null- bis Dreijährigen sein – aus wissenschaftlicher Sicht. Vielleicht bekommen Eltern auf diesem Weg tatsächlich Anregungen, was für ihre Kinder in diesem Alter wichtig ist, jenseits von Englisch und anderen speziellen Förderangeboten. Außerdem fehlt bei der Behandlung des Themas die Tatsache, dass es für viele Familien und Alleinerziehende, insbesondere mit mehreren Kindern, schlichtweg nicht möglich ist, über längere Zeit von einem Gehalt zu leben. RENATE BACK, München
Traurige deutsche Realität
■ betr.: „Das Leben eine einzige Prüfung“, taz vom 30. 7. 13
Herzlichen Dank für diesen aufschlussreichen Bericht! Ich fühle mich in meinen Beobachtungen über die Aus- und Nebenwirkungen der Hartz-IV-Reformen absolut bestätigt. Es ist unfassbar, wie hartnäckig stereotyp sich die Meinung vom „faulen Arbeitslosen“ in den Köpfen vieler Leute hält, darunter gerade auch vieler „Bildungsbürger“, die ihre Alltagssprache vielleicht nicht unbedingt mit Begriffen wie „hartzen gehen“ erweitern müssen, die dafür aber subtil ausgrenzend gegen Mitmenschen argumentieren, von denen sie keinen einzigen persönlich kennen, geschweige denn kennenlernen wollen. Diskriminierende, vorurteilsbeladene Ansichten über BezieherInnen von Hartz IV oder Grundsicherung kann man fast täglich vernehmen, trotz zahlreicher differenzierter Beiträge zu diesem Thema etwa im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die allerdings meist spät abends laufen. Hier schafft sich eine Gesellschaft in blinder Gruppendynamik mal wieder ihre Sündenböcke, auf die sie pauschalisierend draufhauen kann, angefeuert von polemisch ins selbe Horn tönenden Politikern oder anderen öffentlichen Personen, die meinen, sie hätten etwas zu sagen – aber nicht sehen wollen, welche geistige Brandstiftung sie mit manchen Äußerungen betreiben.
Der Bericht von Wolfgang Engler bzw. die zugrunde liegende Studie aus Jena ist jedenfalls ein nicht hoch genug einzuschätzender Grundsatzbeitrag zu dieser traurigen deutschen Realität, dessen Fakten man allen klischeehaft argumentierenden Kleingeistern „um die Ohren hauen“ sollte. ALEXANDER NITSCHE, Wuppertal
Laden ohne KundInnen
■ betr.: „Das Leben eine einzige Prüfung“, taz vom 30. 7. 13
Die propagandistische, begriffliche Irreführung der vom Arbeitsamt verwalteten Hartz-IV-Empfänger als „Kunden“, lässt sich am besten erkennen, wenn man sich einmal vorstellt, was passieren würde, wenn diese den Laden einfach nie wieder betreten würden.
MANUELA KUNKEL, Stuttgart