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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Gelebte Demokratie

■ betr.: „Der Sexappeal des Mick Becker“, taz vom 26. 5. 10

Es geht hier nicht um die Reformpädagogik, katholische Kirche, schon gar nicht um Homosexualität, 70er-Jahre-Verfehlungen, Unter-, Mittel-, Oberschicht oder sonst was. Sexualisierte Gewalt findet jeden Tag überall in unserer Gesellschaft statt. Es geht um autoritäres Herrschaftsdenken und Machtmissbrauch.

Zu Hartmut von Hentig: Als nun 86-Jähriger ist er scheinbar nicht mehr in der Lage oder nicht willens, sich von den Gewalttaten seines Freundes, von dieser Sicht auf Kinder überhaupt zu distanzieren. Das ist nicht einfach schade, das ist schädlich für sein Gesamtlebenswerk – tragisch. Deshalb aber die Laborschule, das Oberstufenkolleg in Bielefeld per se in die Nähe der Taten in der Odenwaldschule zu rücken, wie in der taz jetzt mehrfach geschehen, halte ich für mindestens unlauter. Diese Modellschule wurde in den 70er-Jahren von einer ganzen Gruppe von Erziehungswissenschaftlerinnen und Pädagoginnen aufgebaut und weiterentwickelt. Dort wird gerade das Gegenteil praktiziert: Offenheit, Durchlässigkeit, Kontrollierbarkeit, Kritik, gegenseitiger Respekt, gelebte Demokratie gültig für Lehrende und Lernende gleichermaßen. Ihre Gültigkeit als hervorragende, großartige Modellschule hat meiner Meinung nach weiterhin Bestand. PS: Hey, Labor- und Oberstufenleute, wo seid ihr? Wir brauchen eure offene Kritik – jetzt! MAXIE DICKREUTER, Bargstedt

Religion falsch verstanden

■ betr.: „Der Sabbat-Lift“, taz vom 26. 5. 10

Religion ist kein „Mysterium“, sondern eine Herzenssache – dass alle Weltreligionen einen ähnlichen Kern haben, liegt in der Natur der Religion. Nächstenliebe, Freundlichkeit, Menschlichkeit, Respekt – das findet man in allen Büchern, der Bibel, dem Koran, dem Tao te King, der Tora. Die Segregation, das Abgrenzen der Religionen, die Machtkämpfe der Religionen gegeneinander – das gehört nicht zum Wesen der Religionen, sondern das waren Fehler, die die Menschen machten, weil sie Religion falsch verstanden. Man sollte aus diesen Fehlern lernen und sie nicht weiter kultivieren und perpetuieren. Leider hat mich Frau Yücels Beitrag hierzu enttäuscht. GUDRUN RUPP, Berlin

Wir brauchen neue Politiker

■ betr.: „Klarsicht dank Ölteppich“, taz vom 25. 5. 10

Für jeden kühlen Beobachter ist klar, dass nicht alles irgendwo in unserem Universum gelagerte Erdöl verbraucht werden darf. Warum geht man dann solche Risiken ein, die nicht mehr beherrschbar sind? Das Klima hat sich bereits verändert und wird sich so verändern, dass viele Teile der Erdoberfläche nicht mehr bewohnbar sein werden. Das weiß man und macht trotzdem weiter wie bisher. Dabei könnte der Einsatz fossiler Energiequellen voll durch Sonnenenergie ersetzt werden. Das Vermögen selbst des größten Ölkonzerns reicht nicht aus, um die am Golf von Mexiko zu erwartenden Umweltschäden schadlos zu beseitigen. Eine Umkehr in der Energiepolitik scheint von einer großen Mehrheit gewünscht zu sein. Wir brauchen neue Politiker, die das umsetzen. ALFRED MAYER, München

Kreditnehmer mitschuldig

■ betr.: „Der Niedergang der 23. Straße“, taz vom 27. 5. 10

Sie werfen einer Bank vor, dass sie Kredite vergibt und bei einem Zahlungsrückstand ihr Hypothekenrecht ausübt. Das passiert auch in Deutschland, vielleicht nur nicht so schnell und in dem Ausmaß wie in den USA. Zumindest eine Mitschuld der Kreditnehmer ist doch offensichtlich. Sie haben gleich zwei spekulative Wetten abgeschlossen: Zum einen, dass die Zinsen und damit die Raten nicht steigen, und zum anderen, dass der Wert ihres Hauses steigt. Man muss nun wirklich kein Finanzexperte sein, um zu verstehen, dass dieses Modell schiefgehen kann. Zudem haben die Banken ja dasselbe Problem und werden ihre Immobilien nicht los und müssen ihre Kredite abschreiben. Besonders bei Finanzgeschäften muss jeder so viel Selbstverantwortung haben, um zu wissen, was er da unterschreibt. STEPHAN KLÖCKNER, Hamburg

Ist dafür eine ganze Seite nötig?

■ betr.: „ Junge Frau in Oslo, unbekümmert“, taz vom 28. 5. 10

Na ja, dass das Thema Eurovision Song Contest auch in der taz auftauchen sollte, kann ich nachvollziehen. Aber ist dafür eine ganze Seite nötig? Eigentlich erwarte ich von der taz kritische Beiträge zu echten Problemen und nicht Hofberichterstattung. ROLAND ECKERT, Dornhan

Ende des Fiaskos in Afghanistan?

■ betr.: „Schäuble will Militärausgaben kürzen“, taz vom 21. 5. 10

Nachdem immer deutlicher wird, dass der deutsche Steuerzahler die Folgen der nun 20-jährigen „Deregulierungs- und Globalisierungspolitik“ letztendlich bezahlen soll, sollten wir froh sein, wenn ein möglichst großer Teil dieser Zockerschulden über gestrichene Kriegseinsätze beglichen wird. In Thailand, Indonesien, Argentinien, Brasilien und vielen anderen Ländern musste das Spekulieren gegen deren Währungen von den einfachen Leuten getragen werden. Sollte die Finanzkrise zumindest ein baldiges Ende des kriegerischen Fiaskos in Afghanistan bringen? KURT LENNARTZ, Aachen