LESERINNENBRIEFE :
Wider alle Vernunft
■ betr.: „Bald womöglich letzter Autoreisezug“, taz vom 25. 11. 13
Für Bahn-Chef Rüdiger Grube ist die Standsicherheit vieler Eisenbahnbrücken in Kürze nicht mehr gewährleistet. Das Trimmen der Bahn AG auf einen Börsengang hat einen Verschleiß der Infrastruktur (Brücken, Gleise, Weichen, Signalanlagen) zur Folge. Jetzt warnt Grube davor, dass sich der Investitionsstau beim Erhalt der Infrastruktur bis 2020 auf märchenhafte 50 Milliarden Euro aufsummieren wird. Umso unverständlicher ist es, dass die Bahn-Vorstände das politische Prestigeprojekt Stuttgart 21 wider alle Vernunft durchziehen wollen. Mit dem ohnehin zweifelhaften Versprechen von Fahrzeitverkürzungen infolge des Tiefbahnhofs wollten uns CDU und SPD das milliardenteure Unsinnsprojekt schmackhaft machen. Jetzt stellt sich heraus, dass die Vernachlässigung der bestehenden Infrastruktur Verspätungen zur Folge haben wird, die der Tiefbahnhof nie und nimmer wettmachen kann.
Wann haben CDU und SPD sowie die Bahn AG endlich den Mut, ihre verbohrte S-21-Politik als verhängnisvollen Fehler zulasten der Bahnkunden einzugestehen? NIKOLAUS GEILER, Freiburg
Einsame Spitze
■ betr.: „verboten“, taz vom 21. 11. 13
Auch wenn ich verboten manchmal auch verboten finde: Die Verabschiedung von Dieter Hildebrandt heute war einsame Spitze. Das muss man euch erst einmal nachmachen. Sie zeigt, dass man sich über die taz bisweilen zwar richtig ärgern kann, sie aber im deutschen Zeitungswald doch etwas ganz Besonderes und gar Einmaliges darstellt: eine Todesnachricht als gelungener Witz, der den Ernst und die Trauer um den Verlust von Dieter erst so richtig zum Ausdruck bringt! Ich habe bisher eine solche Verbindung nicht für möglich gehalten und bin mir sicher, dass dies voll im Sinne dieses ganz Großen unter den Kabarettisten gewesen wäre. Respekt, verboten-Redaktion! HELMUT KÜSTER, Niederkrüchten
Ein vernünftiges Projekt
■ betr.: „Schlechtes Karma“, taz vom 24. 11. 13
André Sebastiani und 2.300 Unwissende poltern gegen ein vernünftiges Projekt des Hamburger Schulsenators. Es ist absoluter Unsinn, Parawissenschaft und Esoterik, Priesterwesen der Lehrer, Karma als Hauptfach und Hellsichtigkeit als Lehrvoraussetzung anzuführen. Das ist Idiotie. Als Grundschullehrer fehlbesetzt. Seit Kurzem gibt es einen Nobelpreisträger, Thomas Südhoff, der Waldorfschüler gewesen ist. In Baden-Württemberg machen im Schnitt die Waldorfschüler das beste staatliche Abitur. PETER FINCKH, Ulm
Dünger fürs Blühen
■ betr.: „Schlechtes Karma“, taz vom 24. 11. 13
Ich denke, vor allem seit ich erwachsene, ehemalige Waldorfschüler kennenlernen konnte, dass es kaum eine bessere Schulform geben kann. Waldorfpädagogik erzieht ihre Schüler zu freiem, kreativem Denken und Handeln und zum konstruktiven Hinterfragen. Für den Staat ist das unbequem, wenn nicht sogar beängstigend. Für eine Gesellschaft kann es aber der richtige Dünger sein, der sie ganzheitlich und nachhaltig zum Blühen bringt. Anthroposophie ist fast in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und wenn man sich umsieht, kann man feststellen, dass etliche erfolgreiche Unternehmen anthroposophisch geführt und aufgebaut sind. Was Rudolf Steiner angeht, würde ich ihn als undogmatischen und auf freies Denken setzenden Vertreter eines esoterischen Christentums bezeichnen. Seine Anhänger sind das nicht immer, was möglicherweise zu dem seltsamen Bild geführt hat, das man sich von Anthroposophen oft macht. Was das Christentum ganz allgemein angeht: Jesus Christus schien mir auch eher für Freiheit als für Dogma zu stehen. Was seine Anhänger daraus gemacht und wie sie es für ihre Machtansprüche instrumentalisiert haben, ist hinreichend bekannt. Ich wage zu behaupten, dass Karl Marx, wenn er noch lebte und das Scheitern des Kommunismus und des Sozialismus erlebt hätte, heute ein Sympathisant der Anthroposophie sein könnte. Bitte mehr von solchen Schulmodellen wie in Hamburg für die Entwicklung freier Bürger, statt bequem zu manipulierender Duckmäuser! GABI AUTH, Essen
Wieder nur eine Maus
■ betr.: „Klimakonferenz. Friedlich wie ein Kirchentag“, taz vom 23. 11. 13
Selbst angesichts der dramatischen Folgen des Taifuns „Hayan“ auf den Philippinen haben die so zahlreich anwesenden Teilnehmer des Weltklimagipfels nach unsäglichem Gezerre wieder einmal nur eine Maus geboren. Das mehrfach erklärte Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, ist angesichts der Uneinigkeit der Staaten und der Unfähigkeit der Menschheit wohl nicht mehr erreichbar.
Man muss fragen, warum die überlebenswichtige Problematik des beginnenden globalen Klimawandels, bei der es um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit geht, in der Öffentlichkeit nur so ungenügend wahrgenommen wird? Sind es Berührungsängste mit einem Thema, das möglicherweise eigenes Handeln erforderlich macht? Ist es Bequemlichkeit, Ignoranz oder ganz einfach nur Fatalismus? Denn das eigene Beispiel, der eigene Beitrag zum Klimaschutz sind jetzt gefordert. Dies gilt für jeden einzelnen Bürger, für alle Kommunen und nicht zuletzt auch für jeden einzelnen Staat! DIETER LEHMANN, Falkenberg