LESERINNENBRIEFE :
Selbstverwirklichung oder Familie
■ betr.: „Die verlassenen Macchiato-Mütter“, taz vom 17./18. 7. 10
danke für diesen artikel. jede aussage der zitierten mütter kann ich nur bestätigen. es war längst zeit, dass die ungleichbehandlung der geschlechter, wenn es um die wahl zwischen selbstverwirklichung und familie geht, angesprochen wird. ich bin seit fünf jahren in dieser situation, weiß von vielen anderen und ärgere mich jedes mal, wenn von der heilen, neuen familienwelt gesprochen wird. über väter-bücher und berichte von angeblich so benachteiligten vätern kann ich nur lachen. die großen verlierer aber sind die kinder, die an ihren eltern sehen, wie das zusammenleben eben nicht funktioniert. geleitet von solchen vorbildern werden sie es wohl kaum schaffen, das modell familie fortzuführen. SABINE SCHOLL, Berlin
Die Damen machen es sich einfach
■ betr.: „Die verlassenen Macchiato-Mütter“, taz vom 17./18. 7. 10
Der Bericht ist ein guter Einstieg für unseren gesellschaftlichen Wandel und die unzureichende Folgenbewältigung in Familie und Beziehung. Jedoch ist hier die äußerst starke Einfärbung der selbst betroffenen Redakteurin zu offensichtlich. Ich bin als vierfacher Vater auch durch eine Trennung gegangen als der Part, der sich um die Kinder kümmerte und jetzt mit noch einem zusammen in einer kleinen Wohnung in einem weniger schicken Viertel lebt.
Ja, es sind viele (unwichtige) Dinge den Bach runtergegangen, wie Auto, Haus, dreimal im Jahr in den Urlaub fahren. Und? Wen soll ich jetzt verantwortlich machen? Die Mutter der Kinder oder gar die Kinder? Da machen es sich die Damen doch sehr einfach in diesem Bericht. Alles muss auf höchstem Niveau stattfinden, und wenn dann der andere Part nicht mehr mitspielt, trägt er die Schuld. Welche Rolle spielen die Kinder in dem Lebensentwurf der Protagonistinnen wohl? Vielleicht schmuckes Beiwerk, weil das zu einem erfolgreichen Leben dazugehört? Nicht auszudenken, wenn die kleine Tochter irgendwann erfährt, dass sie durch ihre Existenz die Mutter daran gehindert hat, sich eine zweite Latte macciato bestellen zu können. MARTIN MÜLLER, Münster
So sieht also Scheidung heute aus
■ betr.: „Bionade schützt vor Scheidung nicht“, taz vom 17./18. 7. 10
So sieht also heutzutage eine Scheidung aus: Die Frau mit dem kleinen Baby trauert, während der Mann und der etwas ältere Sohn sich offenbar sehr darüber freuen, dass die Familie zerbricht. Ich frage mich, wer solche Artikel in der taz verantwortet. Menschen mit Familie wohl kaum FABIO FRIED, Hamburg
Proletarischer Antifeminismus
■ betr.: „Wer soll die Kinder kriegen“, taz vom 16. 7. 10
Rudolf Walther berichtet über eine Frankfurter Tagung „Auf der Suche nach einer neuen Sozialordnung“. Angeblich hat dort Wolfgang Streeck einen Zusammenhang konstruiert zwischen dem „Drängen der Frauen auf den Arbeitsmarkt“ in den 1960er Jahren, dem Rückgang der Geburtenrate, dem Sinken von Männerlöhnen und der Schwächung der Gewerkschaften. Kaum zu glauben, dass ein leibhaftiger Direktor eines Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung im Jahr 2010 Argumentationsketten erstellt, die schon im 19. Jahrhundert von frauenfeindlichen Gewerkschaften und dem Lasalle-Flügel der Sozialdemokratie benutzt wurden, um gegen die „Schmutzkonkurrenz“ erwerbstätiger Frauen vorzugehen.
Diese Deutungsmuster des „proletarischen Antifeminismus“ (Werner Thönnessen von der IG Metall 1969) waren damals so falsch wie heute. Frauen haben immer außerhalb des Hauses gearbeitet, als Bäuerinnen, Handwerkerinnen, „mithelfende Familienangehörige“, ab der Industrialisierung als Fabrikarbeiterinnen und bald darauf in den Büros und Dienstleistungsberufen. Der Umfang von Frauenerwerbsarbeit hat sich in Deutschland über Jahrzehnte kaum verändert, nur die Zahl der erwerbstätigen Frauen steigt, weil viele gar nichts anderes bekommen als Teilzeit- oder Minijobs.
Das allgemeine Lohndumping, von dem inzwischen auch Männer betroffen sind, und die Schwächung der Gewerkschaften hat ja wohl andere Ursachen: Die bewusste und gewollte Entfesselung der Marktkräfte auf Kosten von Arbeitnehmerrechten, vollzogen unter der ideologischen Dauerberieselung mit Begriffen wie „Leistung“, „Wachstum“, „globaler Wettbewerb“. CLAUDIA PINL, Köln
Konfrontation statt Dialog
■ betr.: „Hamas-Spendenverein verteidigt sich“, taz vom 15. 7. 10
Warum schaltet das Innenministerium unter Thomas de Maizière eigentlich so strickt auf Konfrontation gegenüber konservativen Muslimen? Erst das Zerstückeln der Islamkonferenz, jetzt das Verbot der IHH. Mustafa Yoldas ist sicher kein einfacher Gesprächspartner, aber er war immer jemand, der für Dialog eingetreten ist und sich auch kritischen Fragen gestellt hat. Er hat sich seit Jahren für religionsübergreifende Hilfsaktionen, zum Beispiel in Afrika, eingesetzt und so Teile der Milli Görüs für die direkte Zusammenarbeit mit anderen Organisationen geöffnet.
Warum setzt man gegenüber ihm nicht auf einen – gerne auch konfrontativen – Dialog, anstatt mit dem Holzhammer „Verbot“ zuzuschlagen? Will man, dass sich auch die moderaten Teile der Milli Görüs radikalisieren, damit man endlich eine einheitlich „islamistische“ Organisation hat, die man nicht mehr differenziert betrachten muss? THOMAS MÖESCH, Bonn