LESERINNENBRIEFE :
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin
■ betr.: „Das Mädchen der Atomlobby“, taz vom 7. 9. 10
Als Bürgerin Deutschlands darf ich bestimmt mal nachfragen, was genau denn so revolutionär an Ihrem Energiekonzept ist. Mit leuchtenden Augen lächeln Sie ganz verzückt in die Kameras und preisen das neue Energiekonzept als absoluten Paukenschlag an. Und die Gewinner sind eindeutig die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes. Wow.
Doch ich frage mich ernsthaft, was genau ich denn gewonnen habe. Mehr Atommüll, steigende Energiepreise, weniger Wettbewerb und eine ungewisse Zukunft? Ich gestehe, ich hätte viel lieber das, was Sie nun den Energiekonzernen geschenkt haben: mehr Geld, mehr Macht, mehr Möglichkeiten. Und eine angenehme Nachtruhe. Denn bei diesen Zukunftsaussichten schlafen RWE & Co. gleich viel besser. Aber richtig neidisch bin ich auf diese Schutzklauseln, die quasi eine Geschenkegarantie sind.
Ich sag nur: Schlaraffenland! Und wiederholen ist gestohlen. Schließlich wollen Sie bestimmt nicht, dass das revolutionäre Energiekonzept so schnell zusammenbricht wie die Zukunft meines Landes! Aber was bedeutet für Sie schon (meine) Zukunft?
VIOLA ROGGATZ, Hamburg
Krimineller Deal
■ betr.: „Das Mädchen der Atomlobby“, taz vom 7. 9. 10
Jeder Privatmann, der Müll produziert, muss für dessen Beseitigung sorgen oder dafür zahlen. Die Atomlobby braucht beides nicht. Sie braucht keinen Nachweis zu erbringen, dass ihr Müll ordentlich entsorgt wird, und sie bekommt die mehr als verantwortungslose Lagerung vom Staat – also von unseren Steuergeldern – bezahlt. Müsste dies der Verbraucher direkt bezahlen, dann wäre das Märchen vom billigen Atomstrom aufgeflogen.
Kriminelle Verantwortungslosigkeit ist auch das Herunterspielen des GAU-Risikos. Wie und bei wem sind die Reaktoren versichert? Was kostet eine verstrahlte, verwüstete und unbewohnbare Heimat? Wer übernimmt die Verantwortung für Millionen von Toten? Der Deal zwischen Regierung und Atomwirtschaft für längere Laufzeiten ist kriminell und müsste eigentlich die Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen.
HANS-GÜNTER GLASER, Speyer
Zusatzpapier
■ betr.: „Regierung schont Atomkonzerne“, taz vom 10. 9. 10
Das zunächst geheim gehaltene Zusatzpapier kommt nicht überraschend. Die Bundesregierung hat das Primat der Politik bereits seit Langem aufgegeben, was sich auch in anderen kapitalkräftigen Branchen (Gesundheits- oder Finanzwesen) zeigt, wo ebenfalls die Wirtschaft die Bedingungen diktiert bzw. sich die Reformen auf den Leib schreiben darf. Was dann darin mündet, dass der Allgemeinheit höhere und fälschlicherweise als alternativlos bezeichnete Kosten aufgebürdet werden, um den Umsatz bestimmter Unternehmen zu steigern, und die Aufgabe der Politik nur noch darin besteht, eine PR-Funktion für die Konzerne einzunehmen und der Bevölkerung eine angebliche Win-win-Situation zu verkünden. Weswegen nicht nur der sogenannte Atomkompromiss, sondern die gesamte politische (Un-)Kultur in Berlin auf den Prüfstand gehört.
RASMUS PH. HELT, Hamburg
Bürger 1. und 2. Klasse?
■ betr.: „Terroranklage gegen deutschen Autor“, taz vom 9. 9. 10
Wie ich der taz entnehme, wird Dogan Akhanli widerrechtlich in der Türkei festgehalten. Er ist deutscher Staatsbürger und müsste von der deutschen Regierung geschützt werden. Wir kennen doch viele Fälle, wo im Ausland gefangen gehaltene Touristen von ganzen Krisenstäben betreut werden. Warum lese ich darüber nichts? Gibt es nichts zu berichten? Tut die Regierung nichts? Gibt es vielleicht Bürger erster und zweiter Klasse in Deutschland? Dann müsste die taz das doch vehement kritisieren?
Oder tut die Regierung etwas? Dann will ich darüber in meiner Zeitung lesen!
So oder so: Der Artikel ist unvollständig.
FRIEDERIKE BERKING, HEIDESEE
Klassischer Sexismus
■ betr.: „Das Mädchen der Atomlobby“, taz vom 7. 9. 10
Wer denkt sich solche Überschriften aus? Erfolgreiche Machtpolitikerinnen als strategisch Handelnde (und als politische Gegnerinnen) nicht ernst zu nehmen und gleichzeitig mit sexualisierenden Zuschreibungen zu belegen – viel klassischer kann Sexismus kaum auftreten. Anders lässt sich diese Art des Gequengels über die Entscheidung der Bundesregierung für längere Laufzeiten kaum erklären; als hätten CDU und FDP jahrzehntelang Anti-Atom-Politik betrieben und nun ganz überraschend damit gebrochen. Es gäbe wahrlich hinreichend gute Argumente gegen diese Regierung und ihre Atompolitik im Besonderen – und Ihnen fiel kein besseres ein, als dass die Chefin eine Frau ist.
HARTWIG SCHUCK, Berlin