LESERINNENBRIEFE :
Ein riesiges Verlustgeschäft
■ betr.: „CDU-Politiker fordert: ‚Hartz IV plus‘ für alle“,taz vom 2. 11. 10
Wenn alle Sozialtransfers abgeschafft würden, gäbe es statt Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten nur noch Grundsicherung, und Elterngeld, Krankengeld, Zusatzleistungen für Blinde, Körperbehinderte oder chronisch Kranke, Rehaleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung usw. würden abgeschafft. Damit müssten wir uns (und unsere Kinder) umfassend gegen Unfälle und ihre Folgen und umfassender als bisher für den Fall der Pflegebedürftigkeit absichern. „Vätermonate“ wären passé, wer im Alter noch reisen oder ins Theater gehen will, muss rechtzeitig eine private Zusatzrentenversicherung abschließen, und wer ein Haus baut und dafür einen Kredit benötigt, tut gut daran, zusätzlich eine Krankengeldversicherung abzuschließen. Also wäre das „Bürgergeld“ für Menschen im mittleren Einkommensbereich ein riesiges Verlustgeschäft.
Gewinner wären neben den Versicherungsunternehmen die Arbeitgeber, deren Beiträge zur Sozialversicherung und zur gesetzlichen Unfallversicherung als „Lohnsummenabgabe“ eingefroren würden, denen die Gesundheit ihrer Beschäftigten im System Althaus egal sein kann, und die wirklich Reichen, deren Spitzensteuersatz auf40 Prozent gesenkt wird. UTE FINCKH, Berlin
Der Preis ist zu hoch
■ betr.: „CDU-Politiker fordert: ‚Hartz IV plus‘ für alle“,taz vom 2. 11. 10
Hartz-IV-Empfänger erhalten ein paar Euro mehr, ob das wirklich bedingungslos ist, muss man noch sehen. Erkaufen sollen wir das durch die Abschaffung unserer sozialen Sicherungssysteme, Einführung einer Kopfpauschale für die Krankenversicherung und eines Einheitssteuersystems, in das alle gleich viel einzahlen, egal ob armer Schlucker oder Millionär. Ich finde, der Preis ist zu hoch!
Wir sollten aufpassen, wer das bedingungslose Grundeinkommen mit welcher Motivation als Vehikel benutzt, um unbequeme politische Veränderungen und soziale Ungerechtigkeiten zu transportieren. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wird durch Althaus verwässert zu einer inhaltlosen Hülle, in die man nach Bedarf alles reinpacken kann, was sonst schwierig umzusetzen ist. Und leider müssen wir jetzt und in Zukunft noch mehr darauf achten, dass nicht immer Grundeinkommen drin ist, wenn Grundeinkommen draufsteht! MARKUS SCHWARZ, Wunstorf
Macht und Geld besser verteilen
■ betr.: „Macht das Grundeinkommen faul?“, taz vom 30. 10. 10
Den Meinungen liegt eine tiefere Frage zugrunde: Sind die Menschen bereit, Verantwortung zu übernehmen? Uns Menschen ist für die Dauer unserer Lebenszeit die Erde überantwortet; unser Land, die Lebewesen und die Zukunft. Nun denken und handeln fast alle mehr oder weniger egoistisch. Dennoch ist die Fähigkeit zur Verantwortung und damit zum Wachstum über den Egoismus hinaus ebenfalls eine ganz menschliche Eigenschaft. Wer sie dem Menschen abspricht, erkennt ihm seine Würde ab. Wer dies tut, reklamiert diese Würde dann meistens für einige wenige Führer, die die anderen zu ihrem Glück führen (zwingen?) sollen. Gerade in letzter Zeit ist nun wieder sehr deutlich geworden, dass diese Führer eben nicht im Interesse des Landes, der Lebewesen und der Zukunft agieren, sondern im Interesse egoistischer Machtinteressen. Wachstum zur Verantwortlichkeit wird gefördert, wenn die Macht und damit die Verantwortlichkeit in den Händen vieler liegt. Wachstum ist nur möglich, wenn das Denken frei von Existenzängsten ist. Verteilen wir die Macht besser, verteilen wir das Geld besser! JÖRG-M. KRAH, Berlin
André Gorz lesen
■ betr.: „Macht das Grundeinkommen faul?“, taz vom 30. 10. 10
Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft, gibt in seiner Argumentation gegen die „Alimentierung ohne Gegenleistung“ sehr genau an, welchen Sinn er im Leben anderer Menschen sieht (auch im eigenen?): innovativ sein, als ob Innovation per se etwas Positives wäre; motiviert sein: zur fraktionierten, befristeten, an der „Gewinn“-Maximierung weniger anderer ausgerichteten Arbeit; produktiv sein, als ob nur jenes Leben produktiv ist, das zu verkäuflichen Produkten führt. Die taz vom 25. 9. 10 („Vom Ende der Arbeitsgesellschaft“, Wiederauflage von André Gorz’ „Kritik der ökonomischen Vernunft“) hatte er bestimmt nicht gelesen – leider. PETER BETHKE, Eutin