LESERINNENBRIEFE :
Zeitgemäße Geschlechterpolitik
■ betr.: „Frauenministerin erzürnt Frauen“,„Feminismus von vorgestern“, taz vom 10. 11. 10
Eine zeitgemäße Geschlechterpolitik ist von der jungen Familienministerin, Kristina Schröder, nicht zu erwarten. Ich teile diese Kritik von Frauen aus SPD und Linke, auch von Alice Schwarzer. Die deutlichste Kritik kam von Manuela Heim: „Kristina Schröder verteufelt den Feminismus von vorgestern, um sich als Konservative von heute zu positionieren.“
Diese Aussage möchte ich ergänzen und bekräftigen. Unbestreitbar ist, dass der Slogan aus den USA „Feminismus ist die Theorie, Lesbischsein die Praxis“ bei jungen Frauen, die Erfahrungen mit patriarchalischen Vätern und Liebhabern gemacht haben, auf fruchtbaren Boden fiel. Die Frauenbewegung aber allein als lesbische und Anti-Mann-Bewegung darzustellen zeugt von mangelndem Geschichtswissen. Es gab außer Sexualität noch andere Schwerpunktthemen, die in Gruppen und feministischen Zeitschriften, zum Beispiel Courage, Schwarze Botin u. a. zur Diskussion standen. Es ging um die finanzielle und psychische Abhängigkeit der Mütter vom Ernährer, um Rente, die Frage „Frauen zur Bundeswehr – ja oder nein (im Sinne von Alice Schwarze inzwischen gelöst als Gleichberechtigung), es ging um das Ehegattensplitting (noch heute ein Tabu!) und frau machte sich auch Gedanken über die Parteien und ihre Einstellung zur Frauenfrage.
Inwieweit Alice Schwarzer Schuld daran trägt, dass Feminismus mit Männerhass in Verbindung gebracht wird, mag sie selbst beurteilen und dementieren. Tatsache aber ist, dass sie stets bemüht war, keine anderen Sichtweisen und feministischen Zeitschriften gelten zu lassen. Vor allem unseren Förderkreis „Der Feminist – Feminismus mit dem Mann“ hat sie ignoriert und in Emma nie erklärt, weshalb. Der Vollständigkeit halber möchte ich bemerken, dass die Medien weitgehend daran beteiligt waren, Emma und ihre Herausgeberin als den allgemeingültigen Feminismus darzustellen. Außerdem war eine lesbisch ausgerichtete Frauenbewegung politisch ungefährlich für die etablierten Parteien von rechts bis links.
Nun hat als brave, sparsame Politikerin Schröder sogar die Flickschusterei Vätermonate, um die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufzubrechen, gekürzt, auch das Elterngeld. Was ich von unserer Frauenministerin halte, erkläre ich durch Hannelore Mabry und ihrer Definition von Patriarchat, umfangreich nachzulesen in der Zeitschrift Der Feminist, gelagert im Institut der Zeitgeschichte München: „Das Patriarchat ist ein System der Gewalt, in dem das Recht des Stärkeren, körperlich/sexuell, intellektuell/psychisch und ökonomisch Gesetz ist.“ Aufgrund dieser dreidimensionalen Gewaltmöglichkeit beteiligen sich zuweilen auch Frauen am System Patriarchat. Mabry nannte sie Patriarchalinnen. Ein Feminist ist demnach ein politischer Mensch, egal welchen Geschlechts, der sich auf die Seite der Schwächeren stellt und versucht, die natürlichen und kulturellen Ungleichheiten durch politisches Handeln zu mildern und zu überwinden. Ein Fünkchen Feminismus in Herz und Hirn würde einer Frauenministerin im Jahr 2010 gut anstehen!
FRANZISKA KEIL, Obergolding
Hohles Leitkulturgeschwurbel
■ betr.: „Das ‚C‘ und die PID“, taz vom 16. 11. 10
„Der Kompass ist das ‚C‘ in unserem Namen“, proklamiert Frau Merkel den Parteikurs in Sachen PID-Debatte, der auf dem Parteitag viel Raum gegeben wird. Clevere Kanzlerin und Parteivorsitzende: So wird dem Publikum suggeriert, dass sich die Partei noch mit ihrem christlichen Selbstbild auseinandersetzt. Mit diesem Randthema der großen Politik kann sie elegant von der dunklen Tatsache ablenken, dass das Christliche in der CDU-Politik sich längst auf hohles Leitkulturgeschwurbel reduziert hat.
Welcher Christ, der Nächstenliebe, Mitgefühl und Verantwortung für unsere Welt leben möchte, kann die Politik dieser Partei, geprägt von Sozialabbau, rücksichtsloser Wirtschaft und Militarismus, ruhigen Gewissens mittragen? Die Welt wird diese Dinosaurierpartei in Kürze rechts liegen lassen. SABINE MIEHE, Marburg