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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Artenvielfalt schrumpft dramatisch

■ betr.: „Pestizide in der Landwirtschaft“, taz vom 14. 5. 14

Ein Lob der taz, dass sie die fatale Fehlentwicklung der „modernen“ Landwirtschaft thematisiert. Der Artikel wirft ein Schlaglicht auf die dramatische, zunehmend von Chemikalien geprägte Umwelt.

Die Sicherheitstests, die zur Zulassung von Pestiziden, sogenannten Pflanzenschutzmitteln, also Substanzen, die Pflanzen, Insekten, Nager oder Pilze töten, waren noch bis in die 90er Jahre fast nur auf den Menschen bezogen. Untersuchungen zur Umwelttoxizität fanden praktisch nicht statt. Wenn die Substanz als abbaubar eingestuft wurde, konnte sie eingesetzt werden. Viele Substanzen mit solchen rudimentären Daten sind noch heute auf dem Markt. Inzwischen ist die Zahl der im Zulassungsverfahren erforderlichen ökotoxikologischen Tests erheblich gestiegen. Für eine Neuzulassung ist ein Datenpaket zu erarbeiten, das die Hersteller Millionenbeträge kosten kann. Dennoch sind die Aussagen zur Wirkung der Pestizide in der Umwelt nach meinem Urteil höchst unzureichend. Warum?

Die Prüfungen erfolgen mit der reinen Wirksubstanz. Es werden fast nie die Fertigpräparate, die im Regal stehen, mit all ihren Zusätzen wie Tensiden, Lösungsvermittlern und Stabilisatoren getestet. Abbauprodukte werden meist als harmlos eingestuft. Auch die in der Praxis überwiegend eingesetzten Mischungen von drei oder mehr Präparaten in einem Spritzgang werden keinen biologischen Prüfungen unterzogen, dabei addiert sich jedoch die Toxizität der einzelnen Chemikalien, auch bei unterschiedlichem Wirkmechanismus, teilweise potenziert sie sich. Langzeituntersuchungen werden nur vorgenommen, wenn die physikalisch-chemischen Daten der Chemikalie eine schlechte Abbaubarkeit, eine hohe Bioverfügbarkeit oder hohe Bioakkumulation erwarten lassen.

Die neu eingeführten Tests an Modell-Ökosystemen liefern Daten, die schwer interpretierbar sind und sich kaum auf die realen komplexen Ökosysteme übertragen lassen. Denn in der Natur gibt es eine riesige Zahl unterschiedlicher Biotoptypen mit Tausenden von Arten. Jede Art hat im Stoffkreislauf ihre Funktion. Dazu kommen Hunderte verschiedene Pestizide. Wie will man da Effekte einzelner Substanzen erkennen? Bewiesen ist, dass national und global die Artenvielfalt dramatisch schrumpft. Je geringer die Artenvielfalt, desto instabiler ist das Ökosystem, Massenvermehrung von Schädlingen ist die Folge. Beeinträchtigt durch Pestizide sind aber auch die Kleinstlebewesen im Boden, die organische Substanz zersetzen und eine Rückführung der Nährstoffe zu den Pflanzenwurzeln ermöglichen. Wenn der Abbau organischer Substanz und von synthetischen Chemikalien nicht mehr vollständig ist, landen immer mehr Fremdstoffe im Grundwasser. Im Stoffkreislauf der Biosphäre hat der belebte Boden die Funktion von Leber und Niere zugleich! Artenschutz ist kein Luxus für Naturliebhaber, sondern Grundvoraussetzung für das Überleben der Menschheit in der Zukunft.

ANITA SCHWAIER, Toxikologin i. R., Angermünde

Macht und Einfluss sind wichtiger

■ betr.: „Balkan-Fluthilfe: EU hat noch nichts gezahlt“, taz vom 23. 5. 14

Besser als an dieser kleinen Meldung kann man die EU-Politik nicht durchschauen: Während in die Ukraine Milliarden Euro fließen, fließt in Bosnien und Serbien nur Wasser. Der Solidaritätsfonds wurde zudem 2014 noch um die Hälfte auf 500 Millionen Euro gekürzt. Macht und Einfluss sind eben wichtiger als Hilfe für die gebeutelten Menschen auf dem Balkan. GUENTER SCHMIDT, Berlin

Bitterböses Spiegelbild

■ betr.: „Jenseits der Staatsbürgerschaft“, „Kriege“, taz vom 24./25. 5. 14

Eurer Journalismus schafft es immer wieder, das in mir auszulösen, was ich von einer Zeitung erwarte: Freude, Schock, Belustigung, Wissenszuwachs, Neugier und jede Menge Kritik.

Die heutige sonntaz steht dafür mal wieder exemplarisch, denn sie (Titelbild samt Slogan) geht unter die Haut und spiegelt bitterböse das wieder, wofür Europa steht: die absolute Ausgrenzung, das Ausbluten für diese Union, die doch gar nicht klar definieren kann, was, wer und wie sie ist, sowie den Triumph über andere, das Sich-Begreifen als etwas Höheres. Und dennoch irgendwie an diesem Projekt festzuhalten, nicht aufzugeben. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, das habt ihr wieder gut bewiesen.

Ebenso habe ich die kleine Rubrik „EU-Tauglichkeit“ im Check über die vergangenen Wochen gefeiert. Es ist für mich unheimlich schwer, Demokratie an sich, aber auch das Projekt Europa vor dem Hintergrund einer zunehmenden Entdemokratisierung, einer verstärkten nationalstaatlichen Tendenz und Fragmentierung des Einzelnen zu legitimieren. Manchmal bricht es mir regelrecht das Herz. Deniz Yücel macht es zwar nicht unbedingt besser, aber immerhin schafft er es, mich zum Schmunzeln zu bringen und mit Spannung dem entgegenzusehen, was so auf uns zukommt. LAURA OLMOS, Hannover

Lieber krank in Duisburg

■ betr.: „Tot überm Zaun“, taz vom 22. 5. 14

Im politisch „rot gefärbten“ Ruhrgebiet möchte der Nachbar-OB aus Düsseldorf „nicht tot überm Zaum hängen“. Als gebürtiger Aachener, der allerdings schon seit 1973 im Revier lebt, kann ich nur sagen: Lieber krank in Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum, Dortmund als gesund in Düsseldorf. Zugegeben, das Niveau dieser Aussage ist nicht besonders hoch. Aber mir scheint, für diesen OB reicht’s.

MANFRED LINDEN, Mülheim