LESERINNENBRIEFE :
Männliche Dominanzfantasie
■ betr.: „Zwei Männer im Vaterglück“, taz vom 30. 12. 10
Man wird Elton John also nun als Vater erleben. Kinderwagen schiebend, Brei fütternd, mit dunklen Ringen um die Augen, weil Babys hungriger Bauch dem Vater nachts keine Ruhe lässt. Elton John wechselt verkackte Windeln, kratzt Apfelmus vom Pulli, verbringt viel Zeit mit dem Junior und hat vielleicht auch viel Freude daran. Sicherlich wird er seinem Kind ein gutes Zuhause geben. Sicherlich wird es sein Sohn besser haben als die meisten Kinder – und das nicht nur in materieller Hinsicht. Ich mache mir keine Sorgen um Zachary Jackson Levon. Trotzdem erhitzt die Entscheidung des Paares, ein Kind aufzuziehen, die Gemüter. Da heißt es, der ist viel zu alt. Darf der das überhaupt? Mit sechzig noch ein Kind in die Welt setzen? Und: Können Homosexuelle gute Eltern sein? Was diese Debatte bewegt, sind letztlich die alten Stereotype von Homophobie und Altersdiskriminierung. Warum soll ein Mann im Rentenalter nicht ein Kind großziehen? Es gibt indes eine richtige Frage, und die muss lauten: Warum soll er ein Kind großziehen? Was sind seine Beweggründe? Und natürlich: Warum holt er es sich gerade so ins Haus?
Ein Kind von einer Leihmutter austragen zu lassen, ist eine extrem kostspielige, nervenaufreibende, komplizierte, ethisch grenzwertige Angelegenheit. Warum geht er nicht den herkömmlichen Weg der Adoption? Es hat – davon darf man ausgehen – etwas damit zu tun, ein leibliches Kind zeugen zu wollen. Den eigenen Samen in einem Kind aufgehen zu sehen. Es hat zu tun mit der Fortpflanzung der eigenen Gene, mit der Erfüllung einer männlichen Wunschfantasie nach Dominanz. Und wenn man das Kind nicht selbst auf natürlichem Wege zeugen kann, so kann man doch wenigstens auf Basis des eigenen Status und Reichtums eine Frau dazu „zwingen“, es auszutragen. Ich spreche nicht davon, dass Elton John tatsächlich die Macht besäße, eine Frau dazu zu zwingen, sein Kind zu gebären. Ich spreche davon, worauf diese Handlung zielt.
Am heftigsten tobt die Diskussion über die Leihmutterschaft, schreiben Sie. Und gerade die kommt in Ihrem Artikel zu kurz. Sie wischen alle moralischen Bedenken mit einem ironischen Begriff beiseite: die „Heiligkeit der Mutterschaft“. Es geht jedoch um Leihmutterschaft. Mit der Leihmutterschaft ist es wie mit den meisten moralisch fragwürdigen Praktiken in einer Gesellschaft. Man findet ein Wort, das die tatsächlichen Umstände oder Handlungen verschleiert, um es frei von Scham aussprechen zu können. Warum schreiben Sie nicht „Frauen, die gegen Geld ihren Körper zur Verfügung stellen, um Kinder fremder Männer zu gebären und sie nach der Geburt wegzugeben“? Eine Dienstleistung nennen Sie dieses Angebot – ein weiterer Euphemismus. Sie verwechseln das Feilbieten der eigenen Arbeitskraft mit dem Feilbieten der eigenen Person. Gemeinhin nennt man das Letztere Prostitution. ANNA BERGER, Köln
Hunde mehr wert als Obdachlose
■ betr.: „Ausländische Obdachlose dürfen erfrieren“, taz v. 21. 12. 10
Meine Familie und ich waren vor einigen Jahren über Silvester in Dänemark. Unser Hund (Rottweiler) hatte seine Hütte im Anhänger unseres Autos; bestens isoliert. Ein Herr schellte und machte uns darauf aufmerksam, dass es in Dänemark verboten ist, Hunde bei diesen Temperaturen draußen zu lassen. Wenn die Polizei es sehen würde, bekämen wir eine Anzeige. HELMUT JOSEF WEBER, Malaga
Tägliches Profiling im Zug
■ betr.: „Profiling hat keine Chance“, taz vom 30. 12. 10
„Profiling“ findet am Aachener Hauptbahnhof längst statt: Täglich kontrolliert die Bundespolizei (auch mit Zivilfahndern) in den Schnellzügen von Paris nach Köln gezielt männliche Alleinreisende „fremdländischen“ Aussehens und mit wenig Gepäck. Ich, männlicher Alleinreisender mit wenig Gepäck, aber blauen Augen werde nie kontrolliert. KLAUS-C. VAN DEN KERKHOFF, Köln
Rehe auf Straßen erlegt
■ betr.: „Mehr als zwei Millionen Tiere erlegt“, taz vom 29. 12. 10
Rehe und Wildschweine sind Zivilisationsfolger, sie können in Parks, auf Friedhöfen, in einem kleinen Biotop hinter einer Kläranlage oder Ähnlichem leben. Im Vergleich zu vor 40 Jahren hat sich ihr Bestand fast verdoppelt. Nun schrumpft die „grüne Fläche“ Deutschlands laut Statistik täglich um rund 120 Hektar. Also drängen sich diese Tiere auf immer weniger Raum, den sie sich mit Joggern, Bauern, Spaziergängern und anderen Menschen teilen müssen. Laut Recherche der Zeitschrift Wild und Hund werden nun etwa 20 Prozent der Rehe auf Straßen und Bahnschienen erlegt. Das geht meist mit kläglich verendeten Tieren, verletzten Menschen und hohem Sachschaden einher. So kann ich jedem nur raten, das Straßenschild mit dem springenden Reh wörtlich zu nehmen. CHRISTOPH KROLZIG, Moos
Keine Gleichheit vor dem Gesetz
■ betr.: „Israels Obermacker“, taz vom 31. 12. 10
In dem Porträt von Mosche Katzaw steht am Ende eine den Fall kommentierende Bemerkung von Peres: „Es gibt nicht zwei Arten von Bürgern in Israel, sondern nur eine. Und alle sind gleich vor dem Gesetz.“ Diese Behauptung stimmt nur, wenn man – wie es wohl auch Peres tut – nur die Juden als richtige Bürger des „Staates der Juden“ Israel betrachtet. Wie es sich sonst mit der Gleichheit vor dem Gesetz verhält, kann man am besten von einem nichtjüdischen Staatsbürger Israels erfragen. GEORG FRITZEN, Düren