LESERINNENBRIEFE :
„Frauensache“
■ betr.: „Grüne lassen räumen“, taz vom 25. 6. 14
Räumung ist keine Lösung. Das Schlimmste aber ist in meinen Augen Folgendes: Weibliche Flüchtlinge – die „unbedeutende“ Minderheit (und nicht weil sie in ihrer Heimat etwa weniger gefährdet seien!) –, die hier in der Schule in einer von ihnen liebevoll eingerichteten, von Beginn an relativ geschützten und friedlichen Frauenetage solidarisch und einigermaßen selbstbestimmt zusammenlebten, werden – wie immer – in gesellschaftliche Sippenhaft genommen. Im Laufe der anderthalb Jahre war ich mehrmals da, um ihnen Sachen zu bringen. Die Frauenetage mit vier Zimmern, für die sie und ihre Unterstützerinnen nicht nur ein wöchentliches Plenum einrichteten, sondern auch eine engagierte Homepage, war immer sauber, aufgeräumt und so, dass es sich in diesen hohen Schulräumen wohlfühlen ließ. Ganz anders die 80 bis 90 Prozent des gemischten bzw. in erster Linie männlich bewohnten Teils des Hauses. In den einzelnen Männerräumen war ich nie, aber ich habe mit jungen Typen gesprochen, warum sie nicht mal zum Beispiel die Treppenhäuser fegen und den (Plastik-)Müll, der überall rumlag wegschaffen würden. „Frauensache“! Eine einzige funktionierende Dusche für 200 Personen: eine Katastrophe! Aber für Frauen, die ja mindestens genauso darauf angewiesen sind, wenn nicht noch mehr (Kinder usw.), kein Grund für Gewalt und Totschlag.
Erst vor wenigen Monaten erfuhr ich, dass bei mir um die Ecke ebenfalls 200 Flüchtlinge in einer ehemaligen Moabiter Schule untergebracht sind, und das bereits seit anderthalb Jahren. Weder in der taz noch in anderen Medien hatte ich davon erfahren. Ich würde auch gerne wissen, wo all die sowieso schon wenigen weiblichen Asylsuchenden abhanden gekommen sind; so zum Beispiel die drei Iranerinnen vom Protestcamp am Brandenburger Tor, die sich damals gezwungen sahen, früher als die Männer aufzugeben. Mein Eindruck ist jedenfalls, dass die Männer deutlich mehr Gehör finden – natürlich auch durch ihr spektakuläreres, aber leider häufig sehr schädliches Verhalten (Dealerinnen wurden im Görli nie gesichtet usw.) ? Ein Weltaufenthaltsrecht für alle Frauen und Kinder! MARIA SCHMIDT, Berlin
Wir wussten ganz genau
■ betr.: „Ausstellung des Furchterregenden“ von Jan Feddersen, taz vom 14. 6. 14
Du schreibst: „Der erste deutsche CSD war ein – man wusste voneinander nicht – zweigeteilter. Der eine fand in Berlin statt, der andere in Bremen.“
Da irrst Du, wir wussten das ganz genau. Ich bin damals mit meinen Freunden nach Bremen gereist und habe davor in Berlin gegen das Berliner CSD-Projekt nach Kräften gewettert, einerseits weil ich fürchtete, dass sich dadurch die Menge – und die ist nach außen meiner Meinung nach das Politikum der CSDs –, die sich in Bremen versammeln sollte, vermindern würde, und andererseits, weil ich dieses Projekt der Berliner Schwulenzeitung (BSZ) viel zu kurzfristig vorbereitet fand. Ich hatte große Angst, dass sich das Berliner Häufchen einfach lächerlich machen würde. Was ich tatsächlich nicht wusste, sich wohl nicht rechtzeitig nach Berlin herumgesprochen hatte: Am gleichen Tag fand auch in Stuttgart der erste CSD statt.
Übrigens war in der Berliner Schwulenzeitung vom Juni 1979 eine rote Beilage („Plakat“) mit dem Aufruf zum CSD, die auf der Vorderseite die Aufschrift in großen Lettern: CHRISTOPHER STREET DAY 30. JUNI ’79 trug und auf der Rückseite den Aufdruck: Schafft eins, zwei, drei … viele Stonewall – gleichzeitig wurde auf der Rückseite für die Teilnahme am Bremer CSD „schwuler Karneval“ geworben.
Auch dass vor 35 Jahren die allermeisten sich politisch verstehenden schwulen Männer nicht gewusst hätten, was das Wort Stonewall bedeutet, ist ein Gerücht (siehe u. a.: den Film von Rosa von Praunheim „Armee der Liebenden oder Aufstand der Perversen“, München, Trikont, 1979 oder die Broschüre vom KB „10 Jahre Stonewall – 10 Jahre Schwulen- und Lesben-Bewegung“ Hamburg, J. Reents Verlag, 1979).
Wie kommst Du nur darauf und was willst Du Deinen Lesern mit dieser Behauptung vermitteln? EGMONT FASSBINDER, Berlin
Olympia? Nein danke!
■ betr.: „Senat jetzt offiziell für Olympia“, taz vom 25. 6. 14
Man muss sich einmal ernsthaft vorstellen: Da will eine Stadt, die sich fast 15 Jahre lang kaputtgespart und Strukturmaßnahmen rigoros vernachlässigt hat, sich um das weltweit größte Sportfest bewerben. Hat der Senat jeglichen Realitätssinn verloren und sieht nicht die frappierenden Mängel und schlimmen Ärgernisse, die der Bürger im Berliner Alltag erdulden muss? Marode Straßen mit Schlaglöchern nach „DDR-Manier“, viele kaputte Brücken, baufällige Schulbauten und Schwimmbäder, großer Personalmangel in den Behörden, fehlende Gelder für Jugend- und Freizeiteinrichtungen, peinliche Vernachlässigung von Senioreneinrichtungen und, und, und? Die Liste ist schier unendlich!
Schon 2000 ist eine Olympia-Bewerbung Berlins, Gott sei dank, gescheitert, und schon damals war ein Großteil der Berliner Bevölkerung dagegen. Jetzt dürfte die Ablehnung solcher Mammutprojekte noch viel größer sein, wo es der Stadt und seinen Bürgern noch schlechter geht als in den neunziger Jahren. Und schon wie damals werden wir uns zu wehren wissen mit Petitionen und harten Demonstrationen gegen solchen Irrsinn profilsüchtiger Politiker! In Zukunft wird es nicht nur das Olympische Komitee, sondern auch die Fifa ohnehin schwer haben, große sportliche Ereignisse in demokratischen Staaten zu etablieren beziehungsweise austragen zu lassen! Mit einer gewissen Genugtuung habe ich inzwischen auch die Reaktion des Deutschen Olympischen Sportbunds zur Kenntnis genommen, der ein eindeutiges Bekenntnis zu Berlin ablehnt! Mein „Schlachtruf“ für die nächsten Jahre lautet deshalb: „Olympia in Berlin? Nein danke!“ Soll sich doch lieber eine andere deutsche Stadt hoch verschulden! THOMAS HENSCHKE, Berlin