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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Abgerichtet für einen Ismus

■ betr.: „Ja zu Kinder-Drill“, taz vom 28. 1. 11

Dieses Umfrageergebnis macht mich sprachlos: 34 Prozent finden es richtig, Kinder unter Androhung von Gewalt zu besseren Leistungen anzutreiben. Die unreflektierte Nachahmungshysterie amerikanischer Mütter, die ihren Nachwuchs auf dem Gipfel der neoliberalistischen Karriereleiter sehen wollen, hat demnach auch bei uns schon ein Drittel erfasst – für ein mehr als fragwürdiges Ziel. Müssen eigentlich in jeder Generation Kinder für irgendeinen menschenverachtenden Ismus abgerichtet werden? Eine Vorstellung davon, was Menschenwürde bedeutet, scheint einigen Zeitgenossen völlig abhanden gekommen zu sein.

GUDRUN PARNITZKE, Landkreis Lüneburg

Von Finnland lernen

■ betr.: „Erfolgreiches Schreien ist nicht einfach“, taz v. 29./30. 1. 11

Der taz-Streit der Woche beleuchtet ein sehr interessantes Thema, das man nicht nur mit Lehrern aus Deutschland, sondern vor allem auch anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Finnland führen sollte. Denn dort zählt Ruhe seit jeher zum Grundprinzip für erfolgreiches Lernen, weshalb in vielen Schulen während des Unterrichts bewusst die Türen der Klassen aufgelassen und nicht geschlossen werden. Weil auf jene Art und Weise, die im Übrigen keiner Kuschelpädagogik entspricht, die Schüler wesentlich besser lernen, auf sich und andere nicht nur in ihrer eigenen Klasse Rücksicht zu nehmen.

Wovon Deutschland noch erheblich viel lernen kann, wo alles immer noch ein wenig wie im 19. Jahrhundert viel zu stark verordnet und weniger durch praktische Überzeugungskraft zugeht. Und sich deshalb einmal mehr am Pisa-Primus orientieren sollte, insbesondere was die Ausbildung der Lehrer betrifft!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Ein Bild des Jammers

■ betr.: „Dreifacher Vater gesteht Mord an Mirco“, taz v. 29./30. 1. 11

Die Pressekonferenz zum Mord an einem elfjährigen Jungen, der abends gegen 22 Uhr vom Täter „gegriffen“ wurde, war eine bizarre Farce, die zum Teil Hohngelächter hervorrief. Die Antworten der überwiegend selbstgefälligen (in einer schnauzbärtigen Person ständig grinsenden) Polizei- und Justizriege hinter den Podiumstischen waren selbstlobend und oftmals ausweichend.

Doch auch die fragenden Journalisten boten teils ein Bild des Jammers, denn die Fragen zielten ständig knapp neben den Kern der Sache, obwohl „zwischen den Zeilen“ der kriminalen Antworten sehr wohl viel Schlamperei und Unvermögen zu erkennen war seitens der Polizeiführung, die einräumte, dass die „Kommissare Zufall und Glück“ geholfen hätten, dass sich die Polizei nach 145 Fahndungstagen (fast 5 Monate, in denen „die tickende Zeitbombe“ hätte erneut zuschlagen können) „das Glück aber verdient habe“.

Der Passat-Kombi war nur zufällig noch greifbar, auf einer dubiosen Rundreise von NRW über Luxemburg nach Russland und wieder zurück (?). Zehn Meter neben dem Ablageort der Kinderleiche war ein Fahndungsschild angebracht, dafür spricht die Polizeiführung von technischen Fahndungsmethoden und diversen aufgestellten Mausefallen, die zum Erfolg geführt hätten, ohne sie freilich konkret benennen zu wollen und mit Begründungen, die nicht nachvollziehbar sind.

Und viele Fragen bleiben offen: Hat der Fundort des Kinderhandys wirklich das Suchgebiet bestimmt, spielen sechs Kilometer abseits – wenn es überhaupt stimmt – für die Suche, speziell der Tornados, eine entscheidende Rolle? Wenn technische Methoden zum Täter geführt haben, warum hat man dann im Zusammenhang mit dem Täterfahrzeug wochenlang gewartet und schließlich noch auf die Rückkehr eines Zeugen aus dem Urlaub usw.? Sind die ausweichenden Beamtenantworten nicht eigentlich Schutzbehauptungen für Polizei und Justiz? Ein überreiches Betätigungsfeld für Journalisten, sollte man meinen – aber solche (gerecht bezahlten) Journalisten gibt es ja nicht mehr so wie früher … NORBERT FRANZ SCHAAF, Koblenz

Hirte gegen Raubtier

■ betr.: „Tierunlieb“, taz vom 28. 1. 11

Es wäre zu einfach, den Schweden zu unterstellen, sie wollen ihre Wölfe ausrotten. Ein Großteil der 6.700 Jäger, die im vergangenen Jahr Jagd auf 20 Wölfe machten, dürften Samen sein, deren Rentierherden massiv unter der Gott sei dank gewachsenen Wolfspopulation leiden. Der erhöhte Jagddruck wird den Nutztierherden nur kurzfristig nützen. Es ist der archaische Kampf Hirte gegen Raubtier, der seit der Steinzeit besteht. Schweden möchte daher seinen Bestand auf 210 Tiere begrenzen. Spanien hat dagegen eine Population von 2.000 Wölfen.

Gefahr für die Wolfspopulation in Schweden besteht weniger aus 20 legal geschossenen Wölfen, sondern aus der genetischen Vereinsamung, aber auch der Wilderei. Stammt doch die schwedische Population von drei Tieren ab und leidet massiv unter Herz und Nierenproblemen. Deshalb plant die schwedische Regierung das Aussetzen von 20 fremden Wölfen, um den Genpool aufzufrischen. Anders in Deutschland, wo es inzwischen in den meisten Bundesländern Wolfssichtungen gegeben hat. So leben in Ostdeutschland schon verschiedene Rudel, die sich wahrscheinlich mit zuwandernden Tieren aus Spanien über Frankreich und die Schweiz sowie aus Italien und dem Balkan über Österreich vermischen werden.

CHRISTOPH KROLZIG, Moos