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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Justitia auf einem Auge blind?

■ betr.: „Rechten-Demos blockieren ist Selbsthilfe“, Interview mit Christoph Enders, taz vom 15. 2. 11

Die Argumentation, dass Blockaden oder Sitzblockaden als „Selbsthilfe“ nicht rechtens seien, erfasst die Problematik nicht im Ansatz. Das derzeitige Versammlungsgesetz unterscheidet fein abgestuft zwischen einfachen, gröblichen und groben Störungen. Je nach Intensität sind abgestufte Gegenmaßnahmen zulässig. „Normale“ Störungen gehören zu einem hinzunehmenden Diskurs. „Gröbliche Störungen“ (§ 19 VersamlG) berechtigen gegebenenfalls zum Ausschluss, erst die sogenannten „groben Störungen“ (§ 21 VersamlG) sind unter Umständen als Versammlungssprengung strafbar, diese stehen dabei in einer Reihe mit „Gewalt“ und „Drohung mit Gewalt“. Zusätzlich muss bei allen diesen Störungsformen die Absicht bestehen, die Demonstration zu verhindern (in Abgrenzung zu „behindern“). Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung verhält sich zu dieser Differenzierung nicht, ebenso wenig Prof. Enders, vielmehr wird im Zweifel jede Störung als „grobe Störung“ interpretiert. Ist dies eine Mentalitätsfrage bei deutschen Behörden und Gerichten, war hier der Gesetzgeber ursprünglich nicht viel klüger? Erst diese fehlerhafte strafrechtliche Bewertung schafft das Erfordernis, die eine Demonstration auf Kosten der anderen durchsetzen zu müssen! Das Legalitätsprinzip erfordert es nicht, mit unverhältnismäßigen Mitteln das Aufeinandertreffen von Meinungen und gesellschaftlichen Diskurs zu verhindern und Demonstrationszüge von Faschisten durch die Zivilgesellschaft polizeilich im wahrsten Sinne des Wortes durchzuboxen!

Das VG Berlin hat in 2005 zu den damaligen Aufrufen der SPD-Regierung und des Regierenden Bürgermeisters an die Zivilgesellschaft, sich den Nazis symbolisch in den Weg zu stellen, bereits instruktiv entschieden. Natürlich schützt die Demonstrationsfreiheit und das Versammlungsrecht auch Minderheiten, aber die Berufung auf das Legalitätsprinzip erscheint bei der völlig falschen Kriminalisierung von Gegendemonstranten in ganz seltsamem Licht, so als wäre Justitia wieder auf einem Auge blind!

KAI LEMCKE, Rechtsanwalt, Münster

„Mir stockt der Atem“

■ betr.: „Rechten-Demos blockieren ist Selbsthilfe“,Interview mit Christoph Enders taz vom 15. 2. 11

Nach meiner Beobachtung ist es mehr als zweifelhaft, dass die Absichten der Rechten, die in den Liedern und Reden bei ihren Versammlungen laut werden, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Nicht nur rassistische Äußerungen und Verleugnung der Nazi-Verbrechen mit Verharmlosung und Schuldzuweisung an andere gehen oft über das, was Meinungsfreiheit deckt, hinaus. Die anwesenden Polizisten achten sehr auf den Schutz solcher Versammlungen, haben aber offenbar wenig Gespür für das nazistische Gedankengut, das da verbreitet wird. Das Ziel der Rechten ist die Abschaffung der Demokratie. Ich habe das bereits einmal erlebt, und mir stockt der Atem, wenn ich diesen Lügen zuhören muss.

Da wird die Verfassungstreue der Nazi-Gegner durch eine Extremismus-Klausel in Frage gestellt. Aber die NPD erhält als zugelassene Partei Steuergelder!? Bitte bleibt an diesem Thema dran!

GERTA STÄHLIN, Dachau

Vorsorglich vom Amt suspendieren

■ betr.: „Kopieren geht über studieren“,Karl-Theodor zu Googleberg“, taz vom 27. 2. 11

Dem Verteidigungsminister sollte das gleiche (Un-)Recht zugestanden werden wie vor kurzem dem Kommandanten der Gorch Fock: Frau Merkel muss ihn vorsorglich von seinem Amt suspendieren, um auch hier Schaden durch das zu erwartende Medienfeuer von ihm und der Truppe abzuwenden. – Und danach wird man (hoffentlich) von ihm nichts mehr hören …

ORTWIN MUSALL, Rotenburg/Wümme