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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Mehr Arbeit! Mehr Leistung! Bis zum Tod

■ betr.: „Geht arbeiten“, taz vom 30. 5. 11

Dass ich nicht lache! Unsere immer zermürbter wirkende Frau Merkel möchte den als ausgelassen geltenden Südeuropäern den verdienten Ruhestand kürzen. Mehr Arbeit! Mehr Leistung! Am liebsten bis zum Tod! Und unser Grab schaufeln wir uns auch selbst. Warum führen wir nicht gleich noch gesetzlich festgelegte Kinderarbeit in Europa ein, damit die Wirtschaft wieder angekurbelt wird?

Merkels Vorschlag ist mal wieder Beweis, dass nicht der Mensch das System gestaltet, sondern das System das Leben des Menschen kreiert. Passend dazu sollen auch Deutsche am besten bis zum 69. Lebensjahr schuften. Liebe Frau Merkel, ich weiß, dass sie nicht allein für solche Vorschläge verantwortlich sind, aber sie stehen in der Verantwortung. Wir sind doch keine Maschinen, die zum Arbeiten geboren sind. Wir sind Menschen! Und wissen Sie was: Ich kriege eine richtige Arbeitsabneigung, wenn ich solche absurden Vorstellungen höre. Vergraulen sie nur meine Arbeitslust vollständig.

Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der sich am liebsten in Freiheit suhlt. Freiheit kommt von Freisein. Oder macht Arbeit frei? Wenn dem so ist, dann arbeiten wir doch für das Volksgut bis zum 100. Lebensjahr. Zudem kann man die Arbeitstage ja noch verlängern. Um 5 Uhr anfangen und bis 20 Uhr arbeiten. Wir brauchen Produktion, lieber Bürger. MICHAEL SENDER, Mainz

Tembel Güneyliler

■ betr.: „Geht arbeiten“taz vom 30. 5. 11

seit mehr als drei jahren betreue ich ehrenamtlich ein mädchen und drei buben türkischer herkunft bei ihren hausaufgaben, gehe in die sprechstunden und spiele mit ihnen tavla, scrabble, memory. schwerpunkte sind deutsch, mathematik, englisch, physik (manchmal französisch oder chemie). vermutlich können sie, frau merkel, sich kaum vorstellen, was für eine warme rückmeldung dieser kinder und ihrer eltern ich bekomme!? vielleicht könnten sie auch so eine sinnvolle tätigkeit übernehmen, anstatt populistischen mist von sich zu geben. ARMAGAN OK, München

Pennergespinne

■ betr.: „Geht arbeiten“, taz vom 30. 5. 11

Sollte man nicht beginnen, darüber besorgt zu sein, dass die älteste in Europa bekannte Demokratie von der menschenverachtenden Strategie einer kapitalistischen Marktwirtschaft und dem Finanzsystem der „spielerisch“ schnellen Gewinne, der Börse und ihren Hedgefonds zum Bettler gestempelt wird? Ich sehe die Demokratie im Allgemeinen, den sozialen Funken im Humanismus von unserer Regierungschefin quasi als „Pennergespinne“ geoutet. Deutschland ist nicht Europa und Griechenland hat seine Wurzeln nicht im Osten der BRD! CLAUDIUS GOGOLOK, Kiel

Vertrauen statt Kontrolle

■ betr.: „Ich bin on – und Mami ist dabei“, taz vom 19. 5. 11

Zwei halbherzige Statements zu der Frage, ob Eltern Zugang zu den Onlineprofilen ihrer Kinder bekommen sollen. Ich möchte Ihnen Argumente für ein klares „Nein“ geben: Wenn Eltern guten Kontakt zu ihren Kindern wünschen und sie zu selbstständigen, selbstbewussten, gesunden Menschen erziehen möchten – und das möchten die meisten Eltern –, so läuft das nicht über Kontrolle, sondern über Vertrauen. Kontrolle führt im schlimmen Fall zu Zwangskrankheiten und Depressionen. Im guten Fall dazu, dass die Kinder findiger werden im Umgehen der Kontrolle. Kinder und Jugendliche wollen auch nicht bei Facebook mit ihren Eltern befreundet sein. Sie brauchen ihren eigenen Raum. Wenn Eltern Sorge haben, dass die Jugendlichen im Netz „falsche Freunde“ haben oder gemobbt werden, dann hilft nur eins: ansprechen, informieren und ein Verhältnis aufbauen, in dem es möglich ist, dass die Kinder zu ihren Eltern gehen können, wenn ihnen etwas komisch vorkommt oder sie sich sorgen. ELISABETH RAFFAU, Köln

Genderplattitüden

■ betr.: „Alphamännchen-Syndrom“, taz vom 19. 5. 11

Nun bringt die taz auch noch die Genderwissenschaftlerin Dietze, die sich mit Bezug zu dem Fall Strauss-Kahn zu der Formulierung weiblicher „neue(r) Unduldsamkeit gegenüber männlichen sexuellen Verfehlungen“ versteigt. Und dann langweilig ausführt, dass Frauen ihren Anteil an der „Glorifizierung dieser Aura von Maskulinität“ hätten. Wie bitte? Ist Frau unduldsam, wenn sie sexuell unbehelligt sein will? Ist die Hotelangestellte selbst schuld, falls sie wirklich angefallen wurde? – Geht es noch? Es geht erstens nicht um Sex, sondern um Nötigung, Freiheitsberaubung und Entwürdigung durch einen mutmaßlichen Vergewaltigungsversuch. Außerdem sind die Genderplattitüden von Frau Dietze seichter, kalter Kaffee. Finden sich keine luzideren Köpfe, die sich zu dem Thema Frauenverachtung und Machtanmaßung äußern? DIRK + DOROTHEE SCHRÖDER, Freiburg