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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Nun korrigiert euch!

■ betr.: „Eon lagert den Müll aus“, taz vom 2. 12. 14

Handel und Wirtschaft sind seit je risikobehaftet. Margen und Versicherungen sollen das abdecken. Nun in der „nachindustriellen“Ära versuchen die Unternehmen ohne Risiken zu bestehen – auch ohne Margenhoheit und Versicherungen? Die Unternehmen wollen Risiken auslagern, erst Vattenfall, nun Eon. Wer wird erst mal die Aktien, wer die Risiken übernehmen? Die Freihandelsverträge versuchen dasselbe. Den Handel freihalten von Risiken, Investitionen schützen, auch vor gesellschaftlichen Entwicklungen, und das alles in einer dynamischeren Welt als je, möglichst auch vor dem Klimawandel.

Dieses Wunschdenken unterstützen, ja forcieren gewählte Regierungen und sind bereit, mühsam errungene Rechte, ja Demokratie, die einheitliche Rechtsprechung mit Revisionsrecht aufzugeben. Diese Regierungen sind keine Volksvertretungen mehr, sondern Büttel der Zeichner von Staatsanleihen. Denn diese suchen Sicherheiten bis in alle Ewigkeit. Welche der von uns gewählten Politiker und Parteien haben diese Vermögen seit 30 Jahren so anwachsen lassen, dass sie „too big to fail“ wurden? Alle an Regierungen beteiligte. Nun korrigiert euch! KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Korruptionsfreie Bananenrepublik

■ betr.: „Eon lagert den Müll aus“ u. a., taz vom 2. 12. 14

Vattenfall verklagt die Republik wegen entgehender Gewinne seiner Atommeiler. Eon wird sich durch schmutzige Tricksereien der eh nur anteiligen Kostenübernahme für den Rückbau seiner fünf Dreckschleudern und seines Atommülls entziehen wollen. Mit welchen Strategien folgen RWE und ENBW? An solchen frechen Beispielen lässt sich ablesen, wie skrupellos gewisse Manager vorgehen und auch Aktionäre Zustimmung zeigen. Die jahrzehntelang eingenommenen Gewinne wurden in die eigene Tasche gesteckt, und die Entsorgung der Drecksarbeiten will man dem deutschen Michel zur Last legen. Dieses asoziale Verhalten kennen wir ja schon von den Bankern! Der Lobbyeinfluss gewisser Konzerne/Personenkreise auf die jeweils amtierenden Politiker/Parteien wird immer unverschämter! Diese Firmen schreiben auch noch an Gesetzen mit, die ihnen letztendlich in ihre Karten spielen. Sie gehen im Bundestag ein und aus, so als wäre der ihre private Wohnung! Das bedeutet für die Macht der Politik nichts Gutes!

Die sogenannte Energiewende ist nach meiner Ansicht Folge von vorher abgesprochenen Vereinbarungen zwischen Politik und Konzernen. Die riesigen Windkraftanlagen der Anbieter in der Ostsee stehen bereit. Jetzt braucht man noch die elend langen hässlichen Leitungstrassen von Nord nach Süd. Anstatt, dass man vor Ort Strom erzeugt und das Volk in Form von Genossenschaften mitverdienen lässt, bootet man es auch noch aus! Und zwar durch Sonnensteuer, Kleinanlegerschutzgesetz, Ausschreibungsvorgaben oder permanenten Kürzungen der Einspeisevergütung.

Zum Glück sind wir wenigstens eine korruptionsfreie Bananenrepublik! GEBHARD MACK-REISER, Burladingen

Europaweiter Trend

■ betr.: „Friedlich, nett und fremdenfeindlich“, taz vom 3. 12. 14

Ich kann die politische Stoßrichtung von Daniel Bax’ Kommentar voll unterstützen, das fällt einem als taz-Leser auch nicht gerade schwer. Was mich irritiert, ist sein Erklärungsansatz: dass es vor 30, 40, 50 Jahren in Dresden mal kein Westfernsehen gab und dass „die Intelligenz“ angeblich nach Berlin abwanderte! Sicher, ein Zufall ist der Veranstaltungsort Dresden nicht, hier haben konservative und rechtsnationale Kräfte schon immer Berührungspunkte gepflegt. Aber dass die ganze Sache komplexer ist, zeigen schon der wie immer kenntnisreiche Artikel von Michael Bartsch und das Interview mit Simone Rafael.

Ich halte es für gefährlich, aus Erklärungsnot, Hilflosigkeit und Ärger die sozialen und ideologischen Faktoren solcher Phänomene auf „Dummheit“ oder wahlweise auch „Bosheit“ herunterbrechen zu wollen. Dresden war zu DDR-Zeiten wie Leipzig eine kleine Kulturmetropole mit jeder Menge Leuten aus der „Schicht der Intelligenz“ (so hieß das damals tatsächlich). Die kamen aus allen möglichen Orten nach Dresden und wenn welche nach Berlin gingen, kamen von dort auch wieder welche zurück. In der Provinz sah das natürlich etwas anders aus, aber dort hatte man wiederum großenteils Westfernsehen, denn die Empfangsschwäche betraf nur das Elbtal und einige ungünstig gelegene Gebiete in Ostsachsen. Im Dresdner Umland konnte man bei gutem Wetter ohne Probleme dem Klassenfeind bei der Arbeit zuschauen. Hat das die Menschen aus der Provinz schlauer gemacht? Demokratischer? Linker? Wohl kaum. Ebenso wenig wie die Leute in Dresden „ahnungslos“ waren, was die politischen Verhältnisse anging.

Auch heute geht Daniel Bax’ Rechnung nicht auf. In Dresden erhielten bei der letzten Stadtratswahl Linke, Grüne, SPD und Piraten zusammen eine Mehrheit, die NPD 2,8 Prozent (was natürlich zu viel ist). Das sieht in vielen Provinzen der gesamten BRD aber deutlich konservativer oder „rechter“ aus! Es ist wohl nur so verlockend, von seiner „Insel der Glückseligen“ (Berlin) auf ein „Tal der Ahnungslosen“ zu zeigen. Ebenso wenig wäre es konstruktiv, von der Großstadt Dresden aus mit dem Finger auf die Menschen in der Provinz zu zeigen. Fakt ist, dass solche Demonstranten eine gefährliche, aber noch kleine Minderheit sind und überwiegend aus dem Umland stammen. Eine Projektion der wachsenden rechtspopulistischen Tendenzen in Deutschland auf „böse Gegenden“ halte ich jedenfalls für unangemessen, auch wenn ich das Bedürfnis ein wenig verstehen kann. Der Trend ist europaweit und braucht dringend andere Analysen als die oben genannte. KARSTEN SCHWULST, Dresden