LESERINNENBRIEFE :
Schneller und günstiger
■ betr.: „Billiger heizen soll sich schneller lohnen“, „Effizienz braucht Bewegung“, taz vom 6. 9. 11
Völlig richtig, dass der deutsche Gebäudebestand in einer Langfristperspektive besser gedämmt werden muss. Allerdings sollte man dabei die Größenordnungen von Finanzaufwand und Geschwindigkeit der erreichbaren CO2-Einsparungen beachten. Bei einer näheren Betrachtung zeigt sich oft, dass die alleinige Schwerpunktsetzung auf die Gebäudedämmung suboptimal sein kann. Oftmals lässt sich die CO2-Einsparung preisgünstig und sehr viel schneller durch den Austausch veralteter Heizsysteme durch Blockheizkraftwerke (BHKW) erreichen. BHKW decken nicht nur den Wärmebedarf, sondern auch den Strombedarf der Gebäude ab.
Während beispielsweise die Dämmung einer Schule für eine Million zu haben ist, kostet der Einbau eines BHKWs nur 100.000 Euro. In der Regel haben weder die öffentliche Hand noch private Gebäudebesitzer genügend Geld für eine umfassende Wärmedämmung. Eine BHKW-Anlage lässt sich dagegen in deutlich mehr Fällen stemmen. Eine Dämmung nach dem Stand der Technik bindet auf sehr lange Zeit sehr viel Investitionskapital. Somit sind die Klimaschutzziele mit der Umrüstung veralteter Heizsysteme auf BHKW sehr viel schneller und preisgünstiger als mit einer aufwendigen Wärmedämmung zu erreichen. NIKOLAUS GEILER, Freiburg
Verbote gängeln nicht
■ betr.: „Nüchterne Fahrgäste“ von Dennis Bühler, taz vom 1. 9. 11
In einer Gesellschaft, die immer mehr soziale Ungerechtigkeit und Frust erzeugt, greift auch die ganze Palette schlechten Umgangsformen, angefangen bei Rücksichtslosigkeit bis hin zu enthemmter Brutalität, in wachsendem Maße um sich. An die Mündigkeit der Bürger zu appellieren, ist daher wohlfeil. Denn „eigentlich“ weiß jeder, dass er auf seine Mitmenschen Rücksicht zu nehmen hat. Ja, „eigentlich“! Das ist genau der Punkt.
Wenn die Gesellschaft einen gewissen Grad an Zivilisiertheit erhalten will, lassen sich Verbote wohl kaum vermeiden. Die Art und Weise, wie Bühler die in Hamburg (und nicht nur hier) geltenden Verbote (vom Alkoholverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zum Rauchverbot in Gaststätten) über einen Kamm schert, um dann das drohende „Ende der Spaßgesellschaft“ zu beklagen, ist einfach dreist. Mich wundert eigentlich nur noch, warum der Autor nicht auch das geltende Tempolimit auf Hamburger Autobahnen hinzugefügt hat. Das würde dann die ganze Absurdität seiner Gedankenführung offenbaren. Was will er eigentlich mit diesem Rundumschlag beweisen? Dass Hamburg das „Singapur des Nordens“ ist?
Ich kann nicht erkennen, was daran besonders „spannend“ sein soll, wenn man in der U-Bahn von Betrunkenen angepöbelt wird, auf dem Hauptbahnhof zuschaut, wie die Junkies ihren Stoff beschaffen, oder wenn man in einem Restaurant bei Raucherqualm sein Menü verzehren muss, wie das früher ja der Fall war.
Was das Alkoholverbot in Bussen und Bahnen in Hamburg angeht, hat sich schon nach dem ersten Wochenende herausgestellt, dass es so manche Tücken hat. Alkopops lassen sich nicht so einfach von gewöhnlicher Limonade unterscheiden, und einen Schnüffeltest, wie von Bühler befürchtet, den will nun wirklich kein Kontrolleur machen. Insofern ist die Situation, die er von Hamburg zeichnet, grotesk überzogen. Im Übrigen hat die überwiegende Mehrheit der Fahrgäste des Hamburger Verkehrsverbundes das Alkoholverbot im Vorfeld befürwortet. Gerade auch weil die bestehenden Regelungen nicht mehr greifen, um die Sicherheit der Bahnbenutzung zu gewährleisten. Ein Großteil der Bürger steht ebenso hinter den bestehenden Rauchverboten.
Es ist also eine Mär, wenn immer so getan wird, als ob die Bevölkerung mit den Verboten gegängelt wird. Sie sind demokratisch zustande gekommen. HARTMUT GRAF, Hamburg
Italienische Linke kein Vorbild
■ betr.: „Wahlkampfhilfe vom Italiener“, taz vom 6. 9. 11
Das Fazit des Berichtes kann nicht überzeugen. Denn auch wenn es richtig erscheint, nach der Devise vorzugehen, die Zukunft gestalten zu wollen, anstatt die eigenen Biografien blind zu verteidigen, so entspricht jenes progressive Bild keineswegs der linken italienischen Realität. Was sich bereits daran zeigt, dass sich im letzten Jahr beim von der jungen Generation über Facebook organisierten landesweiten Anti-Berlusconi-Day so gut wie kein prominenter Oppositionspolitiker beteiligt hat. Und dass nach wie vor Themen, wie die riesige Jugendarbeitslosigkeit oder das gnadenlos unterfinanzierte Bildungswesen, im politischen Diskurs der Berlusconi-Gegner kaum eine Rolle spielen, obwohl von der Lösung jener Probleme nicht unwesentlich die Zukunft des Landes abhängt. Deshalb taugt, bei aller Sympathie, ein Politiker wie Nicola Vendola nicht als Vorbild für Deutschland, zumal er in einem zentralen Punkt seiner Analyse irrt: Italien leidet in den meisten Bereichen weniger unter den Folgen des Neoliberalismus als vielmehr an verkrusteten Strukturen und Selbstbereicherung! RASMUS PH. HELT, Hamburg