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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Strukturell ein großer Wurf

■ betr.: „Das Ende der Sparschwein-Haltung“, taz vom 10. 1. 15

Danke für Ihren Artikel über die Tierwohl-Initiative (TWI), allerdings bedaure ich die von Ihnen eingefügte Überspitzung: „Soll heißen: Tierquäler fallen leichter auf.“ Die ist der Sache nicht dienlich und so habe ich es auch nicht gemeint (es „soll also nicht heißen“). Provieh lehnt solche pauschalen Verunglimpfungen ab.

Übrigens greift kein einziges der von Minister Meyer im Text genannten Argumente; denn 1. gibt es ja weiterhin Produkte mit expliziten Bio- oder Tierwohl-Labeln, und dieser Markt wird derzeit sogar vom LEH und den Fleischerzeugern parallel noch ausgebaut. Die Wahl hat also auch weiterhin jeder, der tiefer in die Tasche greifen will, das hat mit der TWI rein gar nichts zu tun.

2. fördert Christian Meyer in seinem Bundesland den gesetzlich gebotenen Kupierverzicht gerade selbst mit einer Ringelschwanzprämie, statt die Betriebe hart zu sanktionieren, die durch das routinemäßige, vorbeugende Schwanzkupieren seit 20 Jahren eklatant gegen EU-Recht verstoßen – weil er weiß, dass das die Landwirte in Niedersachsen ruinieren würde und deshalb nicht der Weg ist, den Ausstieg zu vollziehen, auch weil die Umstellung für die Landwirte komplex ist. Sie ist aber im vollen Gange und soll auch durch das „Ringelschwanzpaket“ der TWI mit sechs Euro Prämie gefördert werden.

Und 3. verhindert die TWI nicht die Verabschiedung schärferer Gesetze. Es ist keine Frage von „entweder TWI oder bessere Gesetze“ – auch wenn der amtierende Bundeslandwirtschaftsminister das momentan so darstellt, weil er sowieso nicht vorhatte, die Tierschutzgesetze zu verschärfen; denn das hat bisher noch keine konservative Regierung in Deutschland getan (auch keine große Koalition). Die TWI könnte den Bauern aber künftig dabei helfen, die notwendige Anpassung zu bewältigen, und damit schärfere Gesetze sogar besser ermöglichen – trotz der niedrigen Preise und all der billigen Substandard-Massenkonkurrenz aus dem Ausland.

Falls zum Beispiel freie Abferkelbuchten gesetzlich vorgeschrieben würden, gäbe es wegen des Eigentumsschutzes eine lange Übergangsfrist von ca. 20 Jahren. Jeder, der früher umstellen würde, käme in den Genuss des entsprechenden Bonus. Das Gleiche gilt für Auslauf oder andere Änderungen von Vorschriften, die strukturell-bauliche Maßnahmen beinhalten. So könnten in Deutschland schrittweise nachhaltige, tierfreundliche Haltungsbedingungen geschaffen werden, ohne den Erzeugern die Existenzgrundlage zu rauben.

Deshalb ist die TWI für Provieh strukturell ein großer Wurf und Erfolg unserer langjährigen Bemühungen um das Bonitierungssystem und kein „kleiner Schritt“ – auch wenn wir weder mit der Deckelung des Fonds und der Boni noch mit einigen inhaltlich-fachlich fragwürdigen Kriteriendefinitionen und -entgelten einverstanden sind. SABINE OHM, Fachreferentin für Schweinehaltung Provieh – VgtM e. V., Kiel

Prosoziale Werte

■ betr.: „Empirie. Ein unmoralisches Land“ von Daniél Kretschmar, taz vom 8. 1. 15

Ach ja, unsere „abendländischen“ Werte, die „echten“ halt … stets im Wandel, dienten sie der Orientierung, Selbstversicherung und Regulierung der Gesellschaften. Da darf wohl gefragt werden, zu wie viel Borniertheit, Ignoranz, Verlogenheit, Abwehr und Unterdrückung sie zugleich auch beigetragen haben und damit zur Waffe werden konnten.

Dass es im Zuge von Aufklärung und gesellschaftlichem Wandel zu einer fortschreitenden Herauslösung des Individuums aus traditionellen kollektiven Lebenszusammenhängen und Bindungen und damit zum Wandel traditioneller Werte kam – geschenkt. Interessanterweise scheinen derartige Untersuchungen speziell zum Wertewandel unserer Gesellschaft, verbunden mit dem Subtext vom angeblichen „Werteverlust“ und von sorgenvollem Tremolo begleitet, vor allem aus absichtsreichen, nationalkonservativen Ecken zu kommen.

Dass Kretschmar offenbar den Titel seines Artikels wohl doch nicht satirisch meint, zeigen Kommentare wie diese: „Den Leuten ist anscheinend alles egal, solange es sie selber nicht trifft“, „Pegida hat also in einer Sache recht: Das Wertegerüst des Abendlandes wankt bedrohlich im Wind“, „Aber nein, wir leben in einem unmoralischen Land. Das zu wissen, hätte es keiner Umfrage bedurft.“ Tröstlich, dass es daneben vielfältige Hinweise auf eine Renaissance prosozialer Werte wie „Gerechtigkeit“, „Verantwortung“, „Hilfsbereitschaft/Solidarität“ und „Freundschaft“ zu entdecken gibt – man muss sie ja nicht unbedingt gerad bei Pegida ausloten wollen.

HELGA SCHULZE-KÄMPER, Bielefeld

Endlich ein Rettungsseil

■ betr.: „Pegida-Demonstranten im Repräsentationsloch“, taz vom 13. 1. 15

Schreckliche Dinge sind geschehen in diesem Land.

Nach dem „gewaltigen“ Linksruck der CDU tat sich ein klaffendes Repräsentationsloch auf. Und unschuldige, brave Bürger stürzten ins Bodenlose. Die Folgen dieser grauenhaften Verschiebung nach links. Nahezu unaussprechlich. Nur noch Frauen und/oder Homosexuelle an der Macht und auf unseren Straßen. Nur noch Ausländer und Flüchtlinge, die unseren sauer erarbeiteten deutschen Speckgürtel wegfressen. Autsch. Gott sei Dank sind nun Retter da, die sich selbstlos all dieser Parteienflüchtlinge annehmen, all jener, die gewaltsam aus ihrer politischen Heimat vertrieben wurden, durch das Beben des Linksrucks. AfD und Pegida, sie werfen das Rettungsseil und bieten Heimstätte. Die einzig soziale Macht gegen die Kälte in der politischen Obdachlosigkeit. Danke. Danke.

SEBASTIAN LEHMANN, Königslutter am Elm