LESERINNENBRIEFE :
Bitterer Beigeschmack
■ betr.: „Ist er bald Alleinherrscher?“, taz vom 2. 2. 15
Herr Lucke sowie seine Wählerschaft innerhalb der AfD müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Beschlüsse dieser Art den bitteren Beigeschmack eines parteiinternen Ermächtigungsgesetzes mit sich tragen. Wenn Herr Lucke sich in dieser Art und Weise schon fast selber inthronisiert und dabei seine Team-Unfähigkeit und damit verbundene Unkollegialität betont, degradiert ihn dies in einer demokratischen Parteienlandschaft zum Autokraten, was nicht unbedingt positiv zu bewerten ist. Dies hat in keiner Weise etwas mit Parteikarriere zu tun. Der Vorsitzende der Alternative für Deutschland scheint zu vergessen, dass nicht nur sein Parteitag zu seiner Wählerschaft gehört, sondern dass er auf die Medien angewiesen ist, die seine Politik verkaufen. Diejenigen, die nun Herrn Lucke wählen, sollten sich im Klaren darüber sein, dass er bei einem solchen Führungsstil nicht nur die Macht in der Partei will, sondern dass er, mit einer solchen reaktionär-politischen Einstellung, Pläne für eine gesamtdeutsche Führungspolitik offenlegt. GEORG DOVERMANN, Bonn
Ein neoliberaler Dogmatiker
■ betr.: „Der Mindestlohn darf nicht steigen“, taz vom 30. 1. 15
Auf den Druck dieses Interviews hätte die taz wirklich verzichten können: Ein neoliberaler Dogmatiker besteht auf seinen Rezepten, die seit 35 Jahren ganz offensichtlich überall, insbesondere in Südeuropa, Unheil anrichten. Man kann die sogenannte Ökonomie, die der Mann vertritt, mit Blick auf die Daten aus Griechenland über angewachsene Selbstmorde, ein zerstörtes Gesundheits- und Sozialsystem, riesige Arbeitslosigkeit, besonders unter der Jugend, etc. nur noch als ökonomisch begründete Menschenfeindlichkeit bezeichnen. Schon Aristoteles hat unterschieden zwischen der Ökonomie, die die vieldimensionalen Aufgaben guten Wirtschaftens im Haus behandelt, und der Chrematistik, die lediglich Methoden der Vermehrung von Geld behandelt (also Kapitalismus) und euphemistisch als „Wirtschaft“ bezeichnet wird. Die Glaubenshüter dieser Dogmatik werden dann auch noch als „Wirtschaftsweise“ tituliert, auch in der taz immer wieder. Solchen Leuten ist die jahrelange fortschreitende Verarmung von Millionen von Menschen in Griechenland, in Spanien, in Portugal und sonst wo völlig wurscht, weil dadurch Zinsen bezahlt und Schulden getilgt werden. Aber das war leider auch dem Interviewer wurscht, sonst hätte er vielleicht danach gefragt, warum Herr Fuest die Bedienung der überwiegend kriminellen Finanzmärkte und Reichen in Europa wichtiger findet als die Beseitigung des Elends durch Erhöhung des Mindestlohns, Stopp der Privatisierungen, Erhöhung der gekürzten Renten etc. nach dem Wahlsieg von Tsipras. WOLFGANG NEEF, Berlin
Bedrückender Vorgang
■ betr.: „Schluss mit lustig“ u.a., taz vom 30. 1. 15
Sieht so Multikulti aus? Dass die Verantwortlichen in Köln einknickten und einen Karnevalswagen cancelten, ist für freiheitlich, demokratisch und menschenrechtlich gesinnte Menschen ein ungeheuer bedrückender Vorgang, zumal die Skulptur (Zeichenstift gegen Maschinenpistole) nun doch wirklich eine harmlose Darstellung westlicher Werte ist. Hier hat also Islamisierung in ihrer negativsten Form einen weiteren Sieg erlangt: Die Schere ist im Kopf der „Jecken“ angekommen. Sag mir keiner, dass das alles nichts mit Religion zu tun hat. Auch die weltweiten Verbrechen des Papsttums vor Luther hatten sehr wohl etwas mit dem Christentum zu tun. Dass Karnevalszüge unter den Nazis gegen Juden hetzten – sich also auch damals der Gewalt beugten –, macht die Sache noch schlimmer.ALBRECHT THÖNE, Schwalmstadt
Bahn-Anhänger nutzt Fernbus
■ betr.: „Die Bahn sagt den Fernbussen den Kampf an“, taz vom 22. 1. 15
Ich bin ein entschiedener Anhänger der Bahn und würde eine Entwicklung wie in den USA, wo die berühmten Greyhound-Busse die Bahngesellschaften in den 30ern aus der Fläche vertrieben, zutiefst bedauern. Trotzdem habe ich in letzter Zeit häufiger einen Fernbus benutzt. Warum?
Die Preise bei der DB sind – anders kann ich es nicht nennen – außerirdisch. Das Reisen mit der Bahn, insbesondere im Fernverkehr, wird immer mehr eine Domäne von Besserverdienenden. Das Problem dabei: Auf zahlreichen Fernverkehrsrelationen steht die Bahn – gerade in Hinblick auf diese Kundengruppe – in Konkurrenz zu Inlandsflügen. Daraus hat die Bahnführung in den 90ern den völlig falschen Schluss gezogen, dass sie ihre Fahrzeuge, die dort anzutreffenden Komfortstandards sowie die Reisezeiten der Konkurrenz in der Luft anzupassen habe. Das Ergebnis ist eine Vorzeige-Flotte, für deren Geschwindigkeits- und Pünktlichkeitsversprechen, und natürlich erst recht für deren Investitionsbedarf, alle anderen Sektoren der Bahn, samt Nutzern, zur Seite zu treten hatten und haben. Man sagt, das sei alles wegen der geplanten Privatisierung, aber das interessiert mich herzlich wenig. Stichwort Tarifdschungel: Das Angebot der Bahn wird immer unübersichtlicher und undurchsichtiger. Die internen Preisunterschiede – für die gleiche Leistung – sind enorm. Zahlt eigentlich überhaupt noch jemand den Normalpreis? Vermutlich nur die sprichwörtliche alte Dame, die die ganzen Tricks eh nicht durchschaut. Also: Bloß keine weiteren „Rabattangebote“, Herr Homburg! Das ist wirklich das Letzte, was die Kunden der Bahn brauchen. Es kann eigentlich nur heißen: Zurück zu einfachen und einheitlichen Tarifen! HEIKO HOLTGRAVE, Dortmund