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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Tunesiens Zukunft

■ betr.: „Alles Mullah, oder was?“ u. a., taz vom 26. 10. 11

Über dreißig Jahre habe ich bei der Deutschen Sektion von Amnesty International als Koordinatorin für Tunesien gearbeitet. Aus meiner Sicht auf diese Zeit kann ich heute das Wahlergebnis in Tunesien nur begrüßen. Neben unserem Einsatz dort für Angehörige von Gewerkschaften und der Linken haben wir uns vor allem auch für die Angehörigen der islamistischen Partei Ennahda eingesetzt. Diese Partei unter ihrem Vorsitzenden Rachid Ghannouchi war unter dem Diktator Ben Ali verboten. Die Organisation wurde von ihm völlig zerschlagen. Ihre Mitglieder sowie auch bloße Sympathisanten wurden aufs Härteste verfolgt. Wer nicht in den Gefängnissen landete, musste in den Untergrund oder, wenn er Glück hatte, ins Exil gehen. Dabei zeigte sich die Ennahda als die bei weitem demokratiebereiteste islamistische Organisation im arabischen Raum. Sie vertritt einen gemäßigten Islam und lehnt vor allem, zumindest offiziell, Gewalt grundsätzlich ab. Dass die Organisation nun bei den Wahlen so gut abgeschnitten hat, ist nur konsequent. Ein Grund für ihren Wahlsieg mag auch darin liegen, dass die Ennahda einen Weg zu gehen verspricht, der nicht in der Unterwerfung unter die Ausbeutung durch den Westen landet, wie wir es gerade in Libyen erleben. Nur zu groß war die Kungelei des Westens mit dem Diktator Ben Ali gewesen. Böse Reaktionen hierzulande auf den Wahlsieg der tunesischen Islamisten sind daher nur zu durchsichtig. Und was die Rechte der Frauen betrifft, sehe ich die tunesischen Frauen so stark und stolz auf die in Tunesien schon weit vorangetriebene Gleichstellung von Mann und Frau, dass sie keinen Rückschritt zulassen werden. So kann heute nur mit Hoffnung auf den Weg Tunesiens in die Zukunft geschaut werden. HELGA LINDENMAIER, Unterheinriet

Keine gute Entwicklung

■ betr.: „Leichenschau in der Fleischerhalle“, taz vom 22. 10. 11

Es ist schon ein Jammer! Während in Tunesien wohl eher noch gemäßigte Islamisten an die Macht kommen, müssen wir in Libyen und Ägypten mit allem rechnen. Nie hätte ich vor etlichen Jahren, als ich für drei Jahre in verschiedenen arabischen Ländern lebte und arbeitete, gedacht, dass eines Tages in Nordafrika der extreme Islamismus wieder hoffähig würde. Es ist für uns Europäer und auch für Israel keine gute Entwicklung. ERWIN CHUDASKA, Rödermark

Keine Zeit, kein Mut?

■ betr.: „Rot-Grün regiert durch“, taz vom 26. 10. 11

Man kann es auch ganz anders sehen: Um sich nicht nachsagen lassen zu müssen, „keine Verantwortung übernommen“ zu haben, „existenzielle (warum nicht gleich „alternativlose“?) Maßnahmen“ blockiert und die „Rettung Europas“ vereitelt zu haben, taumelt die Opposition in der Wahnsinnsspirale mit. Jetzt er-hebeln sich alle in bankengleiche spekulative Lüfte, und keiner weiß mehr, was er/sie da durchwinkt! Man könnte die vielstrapazierte „Verantwortung“ auch anders übernehmen: Warum fordern nur noch Linke und Occupyer Spekulationsverbote, Umverteilung, Steuererhöhung für Reiche, Finanztransaktionssteuer sofort? Keine Zeit? Alles zu langfristig? Oder kein Mut? SABINE MIEHE, Marburg

Wir brauchen eine Quote

■ betr.: „Verspielen QuotengegnerInnen die Zukunft?“,taz vom 22. 10. 11

Michael Wenge schreibt in seinem Kommentar, dass er statt einer Quote die Arbeitszeiten lieber so ändern möchte, dass die Frauen ihre Kinder von der Schule abholen können. Und da haben wir das Problem! In den Köpfen dieser Personen, die da oben als Geschäftsführer arbeiten, bleibt die Frau diejenige, die emsig die Kinder und das Haus versorgt! Für mich ist diese Aussage der Beweis, dass wir eine Quote brauchen. TARA MAURITZ, Berlin