LESERINNENBRIEFE :
Alles schon entschieden?
■ betr.: „Mehr als ein Verkehrsgarten“, taz vom 13. 2. 15
Es ist gut, dass die taz über Stadtplanungen wie die beabsichtigte Schließung einer Jugendverkehrsschule (JVS) berichtet, aber warum so unkritisch? Sicher ist: Die Bezirksregierung Mitte hat die Jugendverkehrsschule lange Zeit nicht instand gehalten, sondern vernachlässigt und den zahlreichen Schulen und Kindern aus der Umgebung nicht zu optimalen Bedingungen zur Verfügung gestellt. Für die heutige Ausnutzung der JVS gibt es noch weitere Gründe, wie zum Beispiel Lehrer- und Erziehermangel sowie den teilweisen Rückzug der Polizei aus der Verkehrserziehung.
Die Proteste kommen, anders als im Artikel behauptet, nicht nur von Anwohnern, sondern auch von vielen Pädagogen und Eltern, die bei der Veranstaltung der SPD am Mittwoch anwesend waren. Mangelnde Bewegung, mangelnder Übungs- und Sicherheitsraum zum Fahrradfahren in der dicht bebauten Großstadt, u. a. auch deshalb muss diese Jugendverkehrsschule bleiben. Unzulängliche Verankerung der Verkehrserziehung in Lehrplänen als Pflichtaufgabe der Bezirke, verweigerte verlässliche Finanzierung durch Senat und Bezirk Mitte und vor allem die entscheidende Bedeutung des schul- und wohnnahen Standortes der JVS für Unterricht und „freies Üben“ des sicheren Radfahrens und Lernen der Verkehrsregeln mithilfe eines kompetenten JVS-Trägers. Unfälle und massenweise Regelverletzung im Alltag zeigen: Das brauchen alle Alters- und sozialen Gruppen Moabits. Auch die Landesverkehrswacht fordert ein dichteres JVS-Netz. Diese Argumente werden in dem Artikel nicht aufgeführt!
Stattdessen wird behauptet, dass Anrainer nach dem Sankt-Florians-Prinzip handelten. Nein, das tun sie nicht, sondern sie vertrauen darauf, dass die als Grünanlagen ausgewiesenen Flächen auch in dicht bebauten Gebieten nicht einfach überbaut werden dürfen, wenn es um Interessen von Kindern und die Zukunft einer Großstadt geht. Zu behaupten, eine Fläche, die seit 70 Jahren Grünfläche ist, sei dies nur als eine Art Zwischennutzung gewesen, ist abenteuerlich. In Wahrheit ist die Fläche der Jugendverkehrsschule im Bezirksentwicklungsplan „Soziale Infrastruktur“ von 2004 als „Gemeinbedarfsfläche mit hohem Grünanteil“ mit Zweckbestimmung „Schule“ ausgewiesen. Sie ist auch Teil eines schmalen Nord-Süd-„Grünzuges mit Infrastruktur“ (nämlich JVS und Spiel- und Bolzplätzen), der im Flächennutzungsplan von 2009 (verwaltungsverbindlich!) dargestellt ist. Die – planungsrechtlich bedenkliche – Argumentation der SPD würde in der Konsequenz in einem ohnehin sehr dicht besiedelten Gebiet zu weiteren sozialen Problemen und Umweltbelastungen führen.
Die Veranstaltung am Mittwoch wurde von der SPD als ergebnisoffen angekündigt; die von vielen Teilnehmern geäußerten Argumente waren überwiegend für den Erhalt der Jugendverkehrsschule. Tatsächlich handelte es sich aber eher um eine scheindemokratische Partizipation, denn schon am selben Abend wurde von Frau Smentek, der Bezirksstadträtin für Jugend, Schule, Sport, verkündet, es gebe nur Geld für eine Verkehrsschule für Mitte, und zwar für die Gottschedstraße. War also alles schon entschieden?
HILLA METZNER, Berlin
Scharf nachdenken
■ betr.: „Mehr Verbote, bitte“, taz vom 18. 2. 15
Der Kommentar ist ein nettes Beispiel für die stets unangenehme Mischung aus flachem Denken und pseudoprogressiver Selbstgerechtigkeit. Wer, liebe Frau Gürgen, definiert denn eigentlich verbindlich, was Ausnahme ist und was nicht? Trotz deutlich vernehmbarer intellektueller Schnappatmung hätte Ihnen auffallen können, dass Sie Ihrem vorangehenden Plädoyer für freiheitliche Selbstregulierung mit Ihrer „Ausnahme“ den argumentativen Boden entziehen. Schwach. Noch mal scharf nachdenken!
Und, nein, ich halte keinen Hund.
MARKUS STEUER, Darmstadt
Sie pokern halt
■ betr.: „Das Heim und die feinen Leute“, taz.de vom 17. 2. 15
Dass eine Wohngegend aufgewertet wird, wenn mittendrin ein Krankenhausgebäude jahrelang leer steht, ist eher unwahrscheinlich. Ein paar Kilometer von meiner Wohnung entfernt kann ich gerade das Gegenteil beobachten. Eingeworfene Scheiben, Graffiti en masse, Unkraut bis über die Ohren, heimlich abgelagerter Müll und zwielichtige Gestalten sind vermutlich nichts, was zu erwarten ist, wenn in Charlottenburg tatsächlich Asylbewerber einziehen. Insofern ist das Argument, eine Nachnutzung der ehemaligen Psychiatriegebäude würde „zu einer Schädigung von Vermögenswerten“ führen, alles andere als schlüssig. Vermutlich wissen das auch die zwei Herren, die dagegen klagen wollen. Sie pokern halt. Könnte ja sein, das Gericht beschließt einen Vergleich, und sie bekommen eine Entschädigung für den gefühlten Wertverlust.
MOWGLI, taz.de