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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Unangenehmer Beigeschmack

■ betr.: „Black Studies ohne Schwarze?“, taz vom 26. 2. 15

Eigentlich kann man nur jeden und jede, der/die einen Studiengang wie „Black Studies“ belegt, beglückwünschen, denn an sich ist das ja etwas Positives, sich für sozial Schwächere und Minderheiten einzusetzen. Blöd nur, wenn dann kein einziger Schwarzer dabei ist. Wahrscheinlich ist das Problem aber nicht, dass in Bremen der Quotenschwarze fehlte, weil der sich lieber für Medizin oder Jura eingeschrieben hat. Das Problem ist Macht. Und es geht, so mein Eindruck, auch um die abgeschmackte, fast schon ins Gegenteil verdrehte Minderheitenpolitik, die derzeit die Linke dominiert. Immerhin soll in Studiengängen wie „Black“, „Postcolonial“ und „Genderstudies“ der linke Nachwuchs herangezogen werden, zukünftige EntscheidungsträgerInnen und Multiplikatoren, die das Herz auf dem rechten Fleck haben und die Welt ein bisschen gerechter machen sollen. Manchmal ist es aber ein bisschen zynisch, wenn das dann fast überall die gleichen Leute sind: selbstsichere, eloquente Wohlstandskinder, denen man die gute Bio-Ernährung ansieht und auch, dass sie keine Ahnung haben, wie es sich anfühlt, ausgegrenzt und diskriminiert zu werden. Bei dem, was sie machen, geht es ja auch nicht um das konkrete, selbst erlebte Gefühl, nicht dazuzugehören und anderen gegenüber benachteiligt zu werden, sondern um das Binnen-I, Worte, Sprache, Repräsentationen in Kunst und Literatur – Dinge, die v. a. das gehobene Bildungsbürgertum interessieren und eigentlich auch seine angestammte Domaine sind. Wer da nicht den richtigen Stallgeruch hat, ist schnell draußen. Das ist schon irgendwie eine geschlossene Gesellschaft.

Trotzdem kommt es mir falsch vor, jemanden runterzumachen, weil er oder sie sich für etwas Sinnvolles, für Minderheiten und gegen Diskriminierung, für Gerechtigkeit und so weiter einsetzen will und zufällig selbst Glück im Leben gehabt hat. Ich meine, ich habe auch schon über Rassismus nachgedacht und ich bin weiß. Ich bin vielleicht von vielem betroffen, aber davon nicht und ich fände es ziemlich blöd, wenn jemand ankommen würde und mir den Mund verbieten wollte. In einer Gesellschaft, die sich Vielfalt und Demokratie auf die Fahnen schreibt, sollte sich eigentlich jeder und jede zu allem Möglichen äußern und für alles Mögliche engagieren können. Man muss ja auch kein Italiener sein, um Pizza essen zu dürfen.

Aber es ist schon merkwürdig, wenn, wie in „Black Studies“, von Minderheiten die Rede ist und die selbst dann gar nicht mehr zu Wort kommen, weil es eine ganze Menge Leute gibt, die ihre Fürsprecher und Fürsprecherinnen sein wollen und vielleicht auch viel besser für sie sprechen können als sie selbst, das jedenfalls meinen, weil sie ja eine gewisse Bildung haben und den richtigen sozialen Hintergrund. Bei dem Bremer Fall wirkt es so, als seien Schwarze (Randgruppen und soziale Schwächere) ein Köder, um Forschungsgelder und Stipendien für die Kinder des weißen deutschen Bildungsbürgertums an Land ziehen zu können. Und das hat wirklich einen unangenehmen Beigeschmack! DANIELA HÖHN, Berlin

Einstimmig sprechen

■ betr.: „Überforderte Staatschefs“ von Stefan Lehne, taz v. 23.2. 15

Es ist an der Zeit, dass Europa außenpolitisch mit einer Stimme spricht. Dazu ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten der EU ihren Auswärtigen Dienst reduzieren und langfristig ganz abschaffen. Gleichzeitig sollte die EU einen europäischen Auswärtigen Dienst aufbauen, der die jetzige Kleinstaaterei ersetzt. Dass die Egoismen der EU-Mitglieder dadurch gefährdet werden und den Staaten ihr „Spielzeug“ „Außenpolitik“ genommen wird, dürfte einer vernünftigen gesamteuropäischen Außenpolitik noch lange im Wege stehen. Doch wollen 28 Einzelstaaten langfristig mit den USA, China und anderen „auf Augenhöhe“ kommunizieren?HEINZ-PETER LEMM, Hamburg

3:0 für die Speicher

■ betr.: „Neue Trassen braucht das Land?“, taz vom 1. 3. 15

Korrekte Analyse, aber lückenhaft. Und wenn man die Lücken füllt, ist die Frage „Netze oder Speicher“ nicht mehr ganz so offen, wie Bernward Janzing sie sieht:

1. Ja, ein weltumspannendes starkes Leitungsnetz würde Speicher entbehrlich machen. Und war da nicht mal was? Stimmt: „Desertec“ sollte Nordafrikas Sonnenstrom über starke Trassen nach Europa bringen. Start 2009, 2014 wurde die Initiative beendet. Wenn aber schon ein solches, vergleichsweise kleines Projekt innerhalb von fünf Jahren nichts wurde – wann soll das weltweite Netz stehen (mal abgesehen davon, dass die meisten Länder sich nicht bemühen, regenerative Energien offensiv nach vorne zu bringen)? Speicher dagegen sind nahezu sofort installierbar – angesichts des näherrückenden Klimawandel-point of no return ein riesiger Vorteil!

2. Stromtrassen sind keine Bereicherung des Landschaftsbildes, sondern schlicht hässlich. Auch deshalb ist der Widerstand aus der Bevölkerung groß. Das Problem stellt sich bei Speichern nicht beziehungsweise nicht in diesem Umfang. Darüber hinaus brauchen Genehmigungsverfahren Zeit, auch wenn es „nur“ um nationale Vorhaben geht. Die haben wir aber nicht – siehe oben.

3. Stromtrassen können Regenerativstrom transportieren – Fossilstrom aber auch, und die derzeitig geplanten Trassen führen zufällig an den großen Braunkohlegebieten vorbei – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Stromspeicher in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen können vieles – aber nicht das Leben der Fossilwirtschaft verlängern. Vielleicht sind die Stromspeicher die betriebswirtschaftlich teurere Lösung, volks- und garantiert weltwirtschaftlich sind sie es aber garantiert nicht: 3:0 für die Speicher.MARKUS HOLT, Haltern am See