LESERINNENBRIEFE :
Wütend und beschämt
■ betr.: „Marijas Brief“, taz.nord vom 19. 11. 2011
Über den Umgang der Behörden mit diesen Familien und insbesondere den Kindern bin ich wütend und beschämt. Nicht nur in Hamburg, auch in Niedersachsen werden Familien auseinandergerissen oder zu nachtschlafender Zeit ohne Vorwarnung „abgeholt“ und „abgeschoben“ – Methoden, die zwangsläufig an Aktionen der Gestapo erinnern. JÜRGEN STEUSSLOFF, Aumühle
Fehlende Empathie
■ betr.: „Marijas Brief“, taz.nord vom 19. 11. 2011
Die fehlende Empathie der Hamburger Bürgerschaft gegenüber dem geschilderten Fall macht sehr nachdenklich. Denn erstens steht die Hansestadt auf Grund des dunkelsten Kapitels ihrer Geschichte in besonderer Verantwortung – nicht nur was jüdische Personen, sondern ebenfalls die Volksgruppe der Sinti und Roma betrifft. Und zweitens zeichnet eine weltoffene und liberale Stadt, womit sich Hamburg so gerne rühmt, aus, Menschen nicht danach zu bewerten, woher sie bzw. ihre Familien ursprünglich kommen, sondern, ob sie einen integralen Bestandteil dieser Gesellschaft darstellen und ihr Leben selbst bestreiten können. Weswegen die Politiker noch einmal ihr Votum überdenken sollten. Zumal man nicht gerade die so dringend gewünschten Fachkräfte aus dem Ausland damit gewinnen dürfte, wenn sich herumspricht, dass es in der wachsen wollenden Stadt an echter Gastfreundschaft mangelt und Personen mit Immigrationshintergrund – egal, wie sie leben – immer das Stigma aufgedrückt bekommen, dass sie sich von ihren (ur-)deutschen Mitbürgern grundlegend unterscheiden! RASMUS PH. HELT, Hamburg
Die kalte Wut
■ betr.: „Wir sind das mildeste Einsatzmittel“, taz.nord vom 5. 12. 2011
In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich: Da sitzt jemand im Führerhaus eines Wasserwerfers – hoch über den Menschen – und erteilt durch das Mikrophon die Anweisung: „Verlassen Sie den Platz, die Straße oder die Gleise!“ Dabei bildet er sich ein, dass die Menschen seiner Anweisung folgen müssten oder er könnte sie einfach mit seinem Wasserwerfer vom Platz, von der Straße oder von den Gleisen wegfegen, wenn sie seiner Anweisung nicht folgen? Ist das wirklich normal? Als ich kürzlich in einem Film über die Widerstandsaktionen in Gorleben eine solche Situation sah, überkam mich die kalte Wut! Müssen wir uns so etwas wirklich gefallen lassen?
Hier kann man ja vielleicht sogar noch etwas differenzieren: Atomenergie wird von sehr vielen Menschen abgelehnt, der Standort Gorleben scheint das Ergebnis einer wenig schönen politischen Kungelei zu sein, und ein so genannter „Staat“ schickt seine Polizei, um auf zum Teil ziemlich brutale Weise die Leute abzuräumen, die sich einem solchen Projekt wie dem Lager für radioaktive Abfälle aus Protest entgegenstellen.
Wie wäre es mit folgender Lösung: Wenn eine bestimmte Anzahl von Bürgern aus Protest ein Projekt dadurch zu verhindern versucht, dass sie sich der weiteren Realisierung in den Weg stellen, muss der „Staat“ das erst einmal akzeptieren und versuchen, mit den protestierenden Bürgern einen Kompromiss auszuhandeln. Gelingt das nicht, könnte ein Schiedsgericht, in dem die betroffenen Interessen gleichberechtigt vertreten sind und ein unparteiischer Vorsitzender mit seiner Stimme bei Pattsituationen den Ausschlag gibt, in Aktion treten. Sollte auch das nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen, müsste ein Gericht entscheiden, das vor allem das Interesse der Allgemeinheit an einem menschenwürdigen Leben, an einer intakten, gesunden und lebenswerten Umwelt und einem harmonischen Zusammenleben der Menschen berücksichtigt.
Das ist sicher ein langwieriges Verfahren. Doch könnte man damit vielleicht einmal die weit verbreitete Meinung widerlegen, dass „die da oben doch machen, was sie wollen“, und dass unsere Bedürfnisse als Bürger doch immer wirtschaftlichen und finanziellen Interessen untergeordnet werden, wie es wohl zu den Grundbedingungen eines funktionierenden kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems gehört. MAREIKE UND LUDWIG SCHÖNEBACH, Bremen