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Archiv-Artikel

LANDWIRTE LEIDEN UNTER IHREN FUNKTIONÄREN, NICHT UNTER DEM WETTER Fehlende Bauernweisheit

Da lacht der Landwirt. Denn dieses Jahr stimmt die alte Bauernweisheit: „Mai kühl und nass, füllt dem Bauern Scheun und Fass.“ Doch freilich hält die Freude nicht lange an. In guter alter Manier jammert der Berufsstand schon wieder, selbst die rekordverdächtige Ernte rechne sich nicht. Dafür seien die Preise zu sehr im Keller. Recht haben sie, die Landwirte, nur: Sie sind daran zu großen Teilen selbst schuld. Nicht der Einzelne, der sich abrackert, um seinen Hof zu halten. Doch ihre Vertreter in den Verbänden, Genossenschaften und Unternehmen.

Tatsächlich macht den Bauern in erster Linie nämlich nicht das Wetter zu schaffen. Vielmehr ist es der ruinöse Preiskampf in den Regalschluchten von Edeka, Aldi, Lidl, Rewe, Metro. Die Big Five des Handels sind geradezu übermächtig und drücken die Preise. Das können sie, weil ihnen Molkereibosse, Fleischfabrikanten oder Zuckerproduzenten schlichtweg zu wenig Paroli bieten. Sie haben die Interessen ihrer Produzenten nicht mehr im Blick, sondern nur noch ihre kurzfristigen Gewinne als Aktiengesellschaften. Und das, obwohl Bauern Genossen bei Nordmilch eG sind, Bauern im Aufsichtsrat der Nordfleisch AG sitzen und Bauern Aktien an der Südzucker AG halten. Mindestens einer der Konzerne schlägt in jeden noch so aberwitzigen Billighandel ein.

Leisten können sich das nur die großen Höfe, die kleinen verhungern. So rächt sich nun, dass die Landwirtschaft schale Milch, blasse Eier oder wässerige Schnitzel seit Jahren wie am Fließband produziert. Heutzutage sind Kühe derart getrimmt, dass sie 30 Liter Milch am Tag geben – das ist so, als würde ein Mensch jeden Tag einen Marathon laufen. Hauptsache Masse ist es, was die meisten konventionellen Bauern ihren Kunden auftischen. Dafür überdüngen sie die Äcker, besprühen das Obst mit Giften und pfuschen beim Tierfutter.

In Norddeutschland wollen nun 3.300 Bauern ihren Rohstoff Milch ab sofort wieder zu ehrlichen Preisen selbst vermarkten – und kündigten ihren Molkereien. Gute Idee. Viel Glück!

HANNA GERSMANN