LANDESREAGIERUNG: Zwei neue Gesichter im Senat
Im engsten Kreise bereitet Bürgermeister Jens Böhrnsen die Ergänzung des Senats vor. Heute Abend will er im Landesvorstand die Karten auf den Tisch legen
Heute Abend sollen sie dem Landesvorstand der SPD vorgestellt werden, danach wäre der Ablauf eher eine Formsache: Die Erziehungswissenschaftlerin Eva Quante-Brandt, seit Juni 2011 Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa, soll neue Senatorin für Bildung und Wissenschaft werden. Zuvor war sie Direktorin der Akademie für Arbeit und Politik der Universität Bremen. Das Ressort für Gesundheit soll abgetrennt und dem parteilosen früheren Gesundheitsstaatsrat Hermann Schulte-Sasse (64) anvertraut werden.
So jedenfalls waren gestern bei Redaktionsschluss die Wetten. Die Grünen hätten mit der Vergrößerung des Senats keine Probleme: In den Koalitionsverhandlungen im Jahre 2011 waren sie von acht Senatsmitgliedern ausgegangen, vor allem Bürgermeister Jens Böhrnsen hatte ein „Sparsignal“ geben wollen mit der Verkleinerung auf sieben. Böhrnsen war es jetzt auch, der erklärt hat, man müsse diese Entscheidung möglicherweise korrigieren. Am 13. Dezember ist die Bürgerschaftssitzung, auf der der Senat wieder komplettiert werden soll.
Bis gestern abend war noch die Verwaltungsjuristin Antje Grotheer als heiße Kandidatin für das Bildungsressort gehandelt worden, die dem Vernehmen nach jedoch absagte. Als profilierte Vorsitzende des Klinik-Untersuchungsausschusses hätte sie wohl eher das Gesundheitsressort interessiert.
Für das jedoch soll der frühere Staatsrat Schulte-Sasse angesprochen worden sein, der sich 2011 ins Privatleben zurückgezogen hatte. Der Arzt und Internist war auf dem Ticket der Grünen in München Stadtrat für Gesundheit gewesen, von 1998 bis 2001 dann Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium in Berlin, bevor er Staatsrat in dem von einer Linksparteilerin geführten Berliner Gesundheitsressort wurde. 2007 kam er in der selben Funktion in Bremen ins Haus einer SPD-Senatorin, er war für vier Jahre de facto für die Klinikpolitik verantwortlich, weil Ingelore Rosenkötter sich auf Repräsentatives beschränkte.
Auf diese Zeit bezieht sich das „Entsetzen“, das den Gesundheitspolitiker der Linkspartei, Betriebsrat und Aufsichtsrats-Vertreter Peter Erlanson erfasst hat, als er von der Personalie Schulte-Sasse hörte. „Dann können sie sich die Millionen-Abfindung sparen und gleich auch Hansen zurückholen“, spottet Erlanson. Der heute mit 226.000 Euro Jahresgehalt spazieren gehende Friedhelm Hansen war von Schulte-Sasse als Chef des Klinik-Verbundes „Gesundheit Nord“ geholt worden und hatte autoritär – Kritiker sagen „autistisch“ – die Zentralisierung des Klinikverbundes vorangetrieben. Dazu gehörte, so Erlanson, das Konzept, den Neubau des Klinikums Mitte über Personalkosten-Senkung zu finanzieren – was zur Vorgeschichte des Hygiene-Skandals auf der Frühchen-Station gehört. Hansen hatte eine völlige Macht-Neuverteilung in den Klinik-Strukturen – das „Zentrums-Konzept“ – durchzusetzen versucht, was zu großen Reibungsverlusten führte und heute als gescheitert gilt.
Mit der Absetzung von Hansen habe sich das Klima an den Kliniken schlagartig zum Positiven verbessert. Schulte-Sasse habe auf öffentlichen Versammlungen und intern im Aufsichtsrat immer bedingungslos zu Hansen gestanden – mit ihm drohe ein Rückfall in alte Zeiten.
Das sei eine nachvollziehbare Angst, sagt zum Beispiel der Grünen-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner, er wisse aber aus seinen internen Gesprächen mit Schulte-Sasse, dass der durchaus differenziert über die Politik von Hansen diskutieren konnte und in einigen Fragen durchaus anderer Ansicht war. Was Güldner für diese personelle Lösung einnimmt, ist vor allem die Fachkompetenz von Schulte-Sasse.
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