LANCE ARMSTRONG AUF TWITTER : Showroom des Selbstbetrugs
Dieser Mann sinniert. Über das, was einmal war. Seine Vergangenheit hängt an der Wand. Sieben Tourtitel, sieben Leibchen hinter Glas. Aber was sind die Gelben Trikots noch wert? Müsste er sie nicht eigentlich zurückschicken nach Frankreich, jetzt, da er als Dopingbetrüger entlarvt ist? Sein Wohnzimmer sieht aus wie ein Bunker. Jalousien vor den Fenstern. Der Mann auf dem Sofa, es ist Lance Armstrong, der gefallene Radler, möchte nicht, dass etwas von außen hereindringt in seine plüschige Kommandozentrale. Austin/Texas, am besten die ganze Welt, soll draußen bleiben. Verloren liegt er da, einsam, erschöpft. Aber warum postet er dieses Foto via Twitter, ein Bild, das alles über den Helden von einst zu sagen scheint? „Zurück in Austin, hänge ein bisschen herum“, hat er dazu getextet. Will er sagen, dass er trotz des medialen Wirbelsturms, der um seinen Namen kreist, ganz cool bleibt? Ist es der alte unerschrockene Lance? Oder zeigt sich hier einer in seiner ganzen Verletzlichkeit? Vielleicht sogar in einer depressiven Verstimmung? Handelt es sich also um den neuen Lance? Das anzunehmen wäre sehr gewagt, denn er wird seinen über drei Millionen Twitter-Followern nach einem Hawaii-Abstecher nicht ohne Hintersinn seinen Showroom des Selbstbetrugs gezeigt haben. Seht her, liebe Gemeinde, könnte der Subtext dieses Schnappschusses lauten, das hier kann mir keiner nehmen, auch wenn das ganze Peloton jetzt noch gegen mich aussagen sollte! Die Trikots gehören mir, auf ewig, ich habe einen hohen Preis dafür bezahlt. Es waren Blut, Schweiß und Tränen. Und am Ende musste er mit seiner Glaubwürdigkeit für den gelben Stoff blechen. Verdammt teuer, das Ganze. MARKUS VÖLKER