■ Telegramm: Kurzer Prozeß mit Kleinkriminellen
Bonn (AFP) – Auf frischer Tat Ertappte können künftig auch ohne besondere Gründe inhaftiert werden, wenn ihr Strafverfahren innerhalb einer Woche beginnt. Eine entsprechende Änderung der Strafprozeßordnung beschloß am Donnerstag im Bundestag die Koalition mit der sogenannten Kanzlermehrheit. Einen Einspruch des Bundesrats wiesen Union und FDP mit 342 gegen 317 Stimmen zurück, womit die Gesetzesänderung bereits in den nächsten Wochen in Kraft treten wird. Danach können mutmaßliche Straftäter mit einer sogenannten Hauptverhandlungshaft belegt werden, wenn ihr Prozeß innerhalb einer Woche nach der Tat beginnt. Mit der Hauptverhandlungshaft soll verhindert werden, daß jemand durch Fernbleiben von der Hauptverhandlung ein Strafverfahren verzögert. Derzeit können dringend Tatverdächtige nur in Untersuchungshaft genommen werden, wenn Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr oder Wiederholungsgefahr besteht. Der Bundesrat hielt die Novelle für verfassungswidrig, weil die Verhältnismäßigkeit von Freiheitsentzug und zu erwartenden Strafen bei kleinen und mittleren Straftaten aus den Fugen gerate. Auch der Deutsche Richterbund hatte sich dagegen ausgesprochen.
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