: Kurze Betrachtung über den Riß
Jede Weile reißt etwas, weil
alles einmal reißt, auch Eierschalen,
auch Harnische, auch Buchrücken.
Vielleicht könnte allein das Rückgrat
des Menschen eine Ausnahme bilden, doch
dies hängt sehr von Druck, Zeit und Ort ab.
Sie stimmen nur im Fall der Fälle überein,
also fast niemals. Denn
Druck, Orte und Zeiten
gibt es überaus viele, überall rundum.
Ein Riß wird in der Regel abgedichtet. Man hat
nie gehört, daß jemand gern mit Rissen
herumliefe, nicht mal ein Aufreißer.
Ein Riß wird mit Wachs, mit Paraffin abgedichtet,
er wird gelötet, verbunden oder zerredet.
Letzteres am häufigsten
Gleichwohl ist ein abgedichtetes Ei kein Ei mehr,
ein gelöteter Harnisch kein Harnisch,
eine verbundene Ferse ist eine Achillesferse,
ein zerredeter Mensch ist kein Mensch,
sondern Achillesferse der anderen.
Am schlimmsten aber, wenn Hunderte geklebter Eier
für frische Eier ausgegeben werden und Hunderte
gelöteter Harnische für echte Harnische
und Tausende rissiger Leute für Monolithen.
Was schließlich einen einzigen Riesenriß ergibt.
Alles, was wir in der Welt der Risse tun können,
ist, hie und da zu rufen, Herr Direktor.
Vorsicht auf den Stufen,
Sie geruhen rissig zu sein, Herr Direktor.
Das wäre alles. Weiter ist nur weiteres Reißen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
