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Archiv-Artikel

Kurz, kürzer, gekürzt

Mal ganz konkret: Der Dokumentarfilm „Eiszeit“ zeigt Menschen, die unter den Folgen des Sozialabbaus leiden

Berlin ist pleite, der Bund hat auch nichts mehr, es wird gekürzt bei denen, die eh nicht viel haben, in der Hoffnung, es möge einen Wirtschaftsaufschwung geben, der dann irgendwie allen zugute kommt. Am Anfang des sozialkritischen Films „Eiszeit“ von Alexander Kleider und Daniela Michel sieht man eine etwas absurd anmutende Demonstration für die „Reformierung des Sozialstaats“, zu der der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) aufgerufen hatte, am Ende eine Demo gegen Sozialabbau, was bekanntlich das Gleiche ist.

Dazwischen gibt es sechs Porträts von Berliner Menschen, die von den Kürzungen betroffen sind: Rentner, Behinderte, Arbeitslose berichten von den Auswirkungen. Frau Hinzer aus der Gropiusstadt wird sich ihre wochenendlichen Ausflugsfahrten nicht mehr leisten können und hat Angst vor der völligen Vereinsamung, Martina Block, die arbeitslose Schauspielerin, kann es sich nicht mehr leisten ins Schwimmbad zu gehen. Der MS-kranke Matthias Vernaldi hat Angst, dass die Kürzungen der Behindertenhilfe dazu führen, dass Behinderte nur noch verwahrt werden und ihnen alle Freiheit genommen wird. Empörend ist es auch, dass ein Fünftel der Blindenhilfe gekürzt wird. Anders als die Studenten haben Behinderte kaum eine Lobby.

Die Porträts sind gut gelungen. Die Protagonisten jammern nicht, sondern haben schlicht Angst. Etwas schwach wird der Film aber da, wo er anklagen möchte und als Adresse für seine Anklage immer nur das Allgemeinste findet – den Staat und die Reichen, die bekanntlich immer reicher werden. Das Problem ist ja gerade, dass man keinen richtigen Punkt findet, von dem aus man sich empören könnte, wenn es etwa um die arbeitslose Schauspielerin Martina Block geht, die in der DDR natürlich keine Probleme hatte, Beschäftigung zu finden. In der BRD ist es eben risikoreich, Künstler zu sein. Das ist sicher traurig, aber was soll man nun von wem fordern?

„Es geht ein gewaltiger Sozialabbau durch Deutschland und Berlin steht an der Spitze“, sagt Peter Grottian. Das ist sicher richtig, und wer sich zu Recht gegen den Sozialabbau empört, hat nicht die Pflicht, Alternativen aufzuzeigen. Doch die ewige Gegenüberstellung von bösen Reichen und wehrlosen Armen ist in ihrer Perspektivlosigkeit unbefriedigend und schablonenhaft.

DETLEF KUHLBRODT

„Eiszeit“. Regie: Daniela Michel/Alexander Kleider, 78 Min. Premiere: 24. Juni, Kino Nickelodeon, Torstr. 216