Kurswechsel des Palästinenserpräsidenten: Abbas will mit Hamas reden
Palästinenserpräsident Abbas ändert strebt eine Aussöhnung mit den Islamisten an, die Gaza kontrollieren. Ein Grund dafür ist das Stocken des Friedensprozesses mit Israel.
JERUSALEM taz Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will mit der Hamas verhandeln. Am Mittwochabend rief er in einer Rundfunkansprache die Extremisten im Gazastreifen zum "nationalen Dialog" auf, um den internen Streit beizulegen, der "unserem Volk und unserer Sache schadet".
Abbas hatte Kontakte mit den Islamisten stets an die Bedingung geknüpft, dass die Hamas die alleinige Kontrolle über den Gazastreifen aufgibt, die sie vor einem Jahr gewaltsam erkämpfte. Taher Nunu, Sprecher der Führung im Gazastreifen, begrüßte das Umdenken von Abbas und sagte zu, "positive Schritte" zu erwägen.
Die veränderte Haltung von Abbas, die auf eine Initiative der jemenitischen Regierung hin erfolgt, ist überraschend. Seit der Niederlage der Fatah im Gazastreifen wiederholte der Palästinenserpräsident hartnäckig sein Mantra, die Hamas müsse die Kontrolle über das Gebiet aufgeben. Grund für seine Kompromissbereitschaft ist das Stocken des Friedensprozesses mit Israel.
Ahmed Kurei, ehemals Premierminister und derzeit Verhandlungsführer der Palästinenser, glaubt, dass es eines Wunders bedarf, um noch in diesem Jahr eine Friedenslösung herbeizuführen. In allen Kernpunkten, darunter der Grenzverlauf, die Zukunft Jerusalems und der Flüchtlinge, "bestehen noch immer Kluften". Besonders frustriert zeigte sich Kurei über den Plan der israelischen Regierung, weitere 900 Wohneinheiten in Ostjerusalem zu bauen.
Unerwartet heftigen Rückenwind bekam Israels Regierungschef Ehud Olmert am Mittwoch aus den USA, wo der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Barack Obama, von der Unteilbarkeit der "israelischen Hauptstadt Jerusalem" sprach. In den Augen Olmerts handelt es sich dabei nicht um besetztes, sondern um annektiertes Land, über das "nicht verhandelt wird". Obamas Rede löste sowohl bei der Hamas als auch beim Palästinenserpräsidenten heftigen Unmut aus. "Die ganze Welt weiß, dass die heilige Stadt Jerusalem 1967 besetzt wurde und dass wir einem Staat Palästina ohne Jerusalem als Hauptstadt niemals zustimmen werden", kommentierte Abbas.
Der Palästinenserpräsident steht vor einem Balanceakt zwischen der Hamas und den westlichen Geldgebern, die die extremistische Führung im Gazastreifen boykottieren. Die Hamas wiederum wirft der Fatah-Führung vor, sie würde den USA erlauben, die Entwicklungen im Westjordanland zu steuern.
Sollten die von Abbas angestrebten Verhandlungen über eine palästinensischen Versöhnung gelingen, will er Parlaments- und Präsidentschaftswahlen einleiten. Die Hamas gibt sich siegessicher. Ein Erfolg für die Islamisten wäre auch der sich abzeichnende Waffenstillstand mit Israel und der mögliche Gefangenenaustausch. Gestern kam bei einem Angriff aus dem Gazastreifen ein Israeli ums Leben, vier wurden verletzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag