: Kurden befürchten neue Kämpfe
■ Ernüchterung bei Verhandlungen mit Saddam Hussein über Autonomie/ Scharfe Kritik an den USA
Kala-Tschwalan/Irak (ap) — Kurdenführer im Irak haben sich pessimistisch über die Aussichten auf Autonomie geäußert und eine Mobilisierung ihrer kämpfenden Einheiten für mögliche neue militärische Auseinandersetzungen mit der irakischen Armee angekündigt. Dschalal Talabani und Machmud Othman erklärten gestern, sie seien nicht länger optimistisch, daß bald eine Vereinbarung mit Bagdad zustande komme.
Talabani ist Führer der Patriotischen Union Kurdistans, Othman leitet die Sozialistische Partei Kurdistans. Massud Barsani, der an der Spitze der Demokratischen Partei Kurdistans und damit der größten Gruppierung steht, verhandelt gegenwärtig noch im Namen kurdischer Oppositionsparteien in Bagdad. Offen war zunächst, ob er sich an einer Vereinigung der kämpfenden Verbände beteiligen würde. Zu Beginn der Gespräche am 13. April, erklärte Othman, habe die irakische Regierung noch fast allen kurdischen Forderungen zugestimmt. Jetzt würden immer neue Hindernisse aufgebaut. Vor allem in zwei Punkten wolle Saddam Hussein nicht einlenken: bei der Festlegung der Grenzen einer autonomen kurdischen Region und bei den kurdischen Forderungen nach verfassungsmäßigen Garantien. Streitpunkt in der Frage der Grenzen ist vor allem die Stadt Kirkuk, eines der Zentren der irakischen Ölförderung.
Massive Kritik richtete Talabani gegen die USA, die für das Stocken der Verhandlungen mit verantwortlich seien. „An kritischen Punkten besteht Amerikas Politik jeweils darin, Bagdad zu stärken.“
Talabani und Othman verwiesen auf Demonstrationen und Unruhen in kurdischen Städten im Nordirak — ausgelöst durch die Ankündigungen der Amerikaner, ihre zum Schutz der Kurden stationierten Truppen in Kürze abzuziehen. Bei einer Kundgebung für den Verbleib der Amerikaner in der Stadt Dohuk waren am Sonntag sechs Menschen umgekommen, als kurdische Demonstranten sich vor einem Büro der herrschenden Baath-Partei versammelt hatten. Als aus dem Haus heraus in die Menge geschossen wurde und vier Menschen tödlich getroffen wurden, stürmte die Menge das Büro und tötete zwei Parteifunktionäre. Derartige Unruhen würden unvermeidlich, erklärten Talabani und Othman, wenn die Alliierten endgültig aus dem Irak abrückten. Inzwischen sind die rund 450.000 Kurden, die in das irakisch-türkische Grenzgebiet geflüchtet waren, bis auf 30.000 Menschen in ihre Heimatorte zurückgekehrt.
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