■ Kurden-Demo: Polizei wohltuend: Isolieren durch Dialog
Der friedliche Marsch von 10.000 Kurden durch die City war eine eindrucksvolle Demonstration der Trauer. Er unterstrich zugleich die Berechtigung des kurdischen Kampfes um Unabhängigkeit. An Eskalation war offenkundig keiner Seite gelegen. Es ist wohltuend, daß die Polizei sich zurückgehalten hat, gegen die Symbole der verbotenen PKK vorzugehen. Die Polizeiführung hat damit dem intern bekanntgewordenen Drängen der Staatsanwaltschaft nicht nachgegeben, die Beamten bei einer solchen Zurückhaltung Ermittlungen wegen Strafvereitlung androhte. Auch den scharfmacherischen Parolen aus dem Verfassungsschutz, die von gezielten Anschlägen auf Polizisten fabulierten, widerstand die Polizeiführung.
Zu gut hat man offenbar in der polizeilichen Führungsetage und teilweise auch beim Innensenat begriffen, daß man nur mit klugem Abwägen eine Verhärtung der Situation vermeiden kann. Wer dagegen wie die Schlange auf PKK-Symbole starrt, verurteilt sich zum hilflosen Reagieren und wird zum unfreiwilligen Watschenmann. Denn von einer solchen Konfliktverschärfung profitiert nur die PKK. Blinde polizeiliche Überreaktion treibt nur immer mehr Menschen auf einem Weg voran, auf dem die Ideologie vom gerechten Kampf zum hermetischen Irrgarten wird, an dessen Ende nur noch unbedingte Solidarität oder Verrat existieren. Dies nicht zuzulassen, sondern jede Verhärtung zu vermeiden, ist gerade Berlin in besonderer Weise verpflichtet – schon um des friedlichen Miteinanders von Türken und Kurden zuliebe.
Gewalttaten, möglicherweise auch gestern nach Redaktionsschluß, dürfen kein Argument gegen die gestern praktizierte staatliche Gelassenheit sein. Die Strategie des Dialogs mag jene PKK-Aktivisten nicht mehr erreichen, die gegenwärtig Brandsätze gegen türkische Läden schleudern. Zunehmend aber werden sie isoliert werden von jenen Kurden, die mit humanen Mitteln für Kurdistan kämpfen wollen. Gerd Nowakowski
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